6. Nov, 2016

Knapp 25 Stunden unterwegs!

Aruba, eine der drei karibischen ABC-Inseln, liegt einen «Katzensprung» von Venezuela entfernt. Zwischen Luzern und Oranjestad, dem Hauptort von Aruba, liegen 8'111 km. Es sind dies ungefähr 1'000 km weniger, als zwischen Shanghai und Luzern. Und dennoch brauchen wir heute fast 10 Stunden länger, als auf unserem Rückflug von Shanghai in die Schweiz. Das «Beste» an der Geschichte: Um Haaresbreite hätten wir eine Nacht am Flughafen von Miami verbringen dürfen. Und dies erst noch unfreiwillig.

In der Schweiz kündigt sich der Winter an. Trüb, kalt und regnerisch ist es heute. Meine Schwiegereltern, welche uns zu unserer Freude die letzten beiden Tage vor unserer Abreise besucht haben, fahren uns heute morgen um 04.00 Uhr an den Flughafen Zürich. Unser Flieger geht um Sieben in der Früh. Eigentlich wollten wir den Zug nehmen. Die Zugtickets hatten wir bereits. Um rechtzeitig unser Flugzeug zu erreichen, hätten wir um 5 Uhr am Flughafen sein, bzw. um etwa 4 Uhr einen Zug ab Luzern haben müssen. Doch Zugreisende unter Euch wissen, um diese Zeit zeigen Schweizer Zugfahrpläne nichts als gähnende Leere. Statt wie geplant schon am Vorabend mit dem Zug nach Zürich zu fahren, bot sich uns nun diese Fahrgelegenheit mit meinen Schwiegereltern. So sparen wir uns ein paar Stunden. Doch unser Reisetag sollte auch so noch lange genug werden. Auf der Autobahn in Richtung Zürich fahren um vier Uhr morgens kaum Autos. Nicht einmal beim Gubrist-Tunnel, wo sonst fast immer Stau herrscht. Die Schweiz schläft immer noch selig.

Mit der British Airways (BA) fliegen wir zuerst von Zürich nach London. Dort haben wir gut zwei Stunden Zeit zum Umsteigen. Dann geht es mit der American Airlines (AA) weiter nach Miami. Für die letzte Strecke nach Oranjestad (Aruba) bleiben uns erneut zwei Stunden. Ein zweimaliges Umsteigen ist nicht nur mühsam und umständlich. Es frisst auch ziemlich viel Zeit. Mit der KLM, welche Zürich – Amsterdam und Amsterdam – Aruba nonstop fliegt, hätten wir uns gut 10 Stunden, ein USA-ESTA-Visum und vor allem viel Nerven sparen können. Doch das ging leider nicht. Unser Round-the-world-ticket ist an den Flugverbund von Oneworld gebunden. Und diesem Flugverbund gehört die KLM nun mal leider nicht an.

Habe ausgerechnet. In unserem Leben haben wir bestimmt schon Wochen auf Flughäfen verbracht. Nicht weil wir Flughäfen unbedingt toll finden, sondern weil wir über all’ die Jahre bereits viel geflogen sind und weil man an Flughäfen immer sehr viel Zeit mit einchecken, Passkontrolle, Zoll, Sicherheitskontrolle und den langen Märschen zu den Gates förmlich verschwendet. Unglaublich, auf wie viele Flug(hafen)stunden man so im Leben kommt. 

Am Flughafen Zürich können wir unser Gepäck bis Aruba durchchecken. Auch die Bordingkarten für die Weiterflüge von London nach Miami und von Miami nach Aruba gibt man uns. Darüber werden wir heute noch sehr froh sein! Ein etwas komisches Gefühl haben mir was unser Gepäck anbetrifft. Denn die lieben Engländer haben uns auf einem Flug nach Kanada mit Zwischenstop in London einmal unser Gepäck auf dem Flughafen London Heathrow einfach stehengelassen, bzw. nicht umgeladen. Doch das sollte heute glücklicherweise nicht der Fall sein.

Mehr Sorgen bereiten uns heute die Amerikaner. Obwohl in London mit einer Stunde Verspätung abgeflogen, landet unsere Maschine der American Airlines in Miami pünktlich um 16.00 Uhr Lokalzeit (22 Uhr MEZ). Hier bleiben uns zwei Stunden Zeit um unseren Flug AA2217 nach Oranjestad zu erreichen. Ohne Checking reichen zwei Stunden in jedem Land und auf jedem Flughafen der Welt locker. Davon sind wir bis heute jedenfalls ausgegangen. Die USA und insbesondere Miami lehren uns jedoch etwas Anderes.

Während man in der Schweiz, wie auch anderswo auf der Welt beim Umsteigen von einem internationalen Flug auf einen anderen sich im Transitbereich des Flughafens aufhalten kann, d.h. keine Einreise ins Transitland machen muss, ist dies in den USA genau umgekehrt. In Miami angekommen, warten bereits mindestens zwei- oder dreihundert Passagiere darauf sich mit einem Metallkasten unterhalten zu dürfen. Es vergeht viel Zeit, bis wir dann auch mit einem der dreissig oder vierzig Automaten ein Frage- und Antwortspiel machen dürfen. «Spieglein, Spieglein an der Wand….» Die Kiste ist ungemein neugierig. Sie will nicht nur unsere Daten, sondern gleich auch noch Fingerabdrücke, entweder vier Finger der linken oder vier der rechten Hand. Dann schiesst der Kasten auch noch ein Foto von uns. «Bitte nicht lächeln!»

Übrigens: Eine Frage der Maschine lautete: Haben Sie Früchte dabei? Erst jetzt stellen wir fest, wir haben unseren «Fressaliensack» mit zwei Mandarinen, einer Birne, einem Snickers und zwei Getreideriegeln, sowie einem Päckchen Jasskarten auf der oberen Gepäckablage des Flugzeuges liegengelassen. Der Sack ist sicher längst entsorgt. Zuerst ärgere ich mich ein Wenig. Dann bin ich erleichtert. Können wir doch jetzt dem blöden Ding vor uns dessen Frage nach Früchten mit gutem Gewissen mit NEIN beantworten. Schliesslich spuckt uns der Kasten einen Schwarzweissausdruck mit ein paar Daten sowie einem ziemlich lausigen Foto von mir raus. Sehe ich wirklich schon so alt aus?  Doch die eigentliche Ernüchterung gibt es zum Schluss. Die Kiste sagt uns, Passkontrolle und Zollabfertigung seien noch nicht abgeschlossen. Wir hätten uns an einen Schalter zu begeben. Wir schauen uns um. Und da ist sie wieder, die Warteschlange, welche uns überallhin verfolgt.

All’ jene, welche schon bei den Automaten vor uns waren, warten nun erneut vor uns. Diesmal einfach vor Glaskästen hinter denen sich amerikanische Zollbeamte verstecken. Von den einst zwei Stunden Umsteigezeit ist bereits eine Stunde verstrichen. Dabei haben wir dem netten amerikanischen Zöllner noch nicht einmal die Hand geschüttelt. Leute hinter uns werden langsam nervös. Marion ist es auch. Und ich lasse es mich einfach nicht anmerken. Bringt ja eh nichts. Ihr Flieger gehe in einer Stunde, hören wir. Unser übrigens auch! Dann kommen wir an die Reihe. Der Zollbeamte macht nochmals ein Foto. Dann dürfen wir nicht nur vier Finger der linken Hand, sondern auch noch die anderen vier der rechten und zusätzlich beide Daumen auf einen Scanner legen. Was machen die Amerikaner bloss mit Menschen, welche finger-, hand- oder armampu-tiert sind? Lassen sie die nicht in die USA einreisen? Wir haben keine Zeit, um uns solchen Fragen hinzugeben. Es bleiben uns noch 40 Minuten. Dann die alles entscheidende Frage des Zöllners. "Wieso reist Ihr in die USA?" Mit einem gequälten Blick auf meine Uhr antworte ich ihm: "Wir wollen gar nicht in die USA einreisen. Wir möchten nur den Flug nach Aruba erreichen." Dann geht es schnell. Der Zollbeamte missbraucht unsere Pässe. Macht je einen Stempel rein und - geschafft. Mit nichten!

Wir stellen uns in die nächste Warteschlange. Dort treffen wir auf dieselben  nervös dreinblicken-den Leidensgenossen, welche wir schon bei den Automaten und bei unserem netten Zollbeamten gesehen haben. Nun wird unser Handgepäck leuchtet. Einige Personen machen Bekanntschaft mit einem Bodyscanner. Wir haben Glück. Wir werden nur abgetastet. Mich freut's! Endlich wieder einmal von einer Frau.

Die verrückten Amerikaner. Als ob wir auf dem Flug von London Heathrow nach Miami irgend etwas im Handgepäck oder auf unserem Körper hätten mitführen können, was auf dem Flug von Miami nach Oranjestad hätte verboten sein können. Zwischen dem Aussteigen aus dem Flugzeug und dem erneuten an Bord gehen, hatten wir bis dato nicht den Hauch einer Chance etwas zu uns zu nehmen oder an unserem Handgepäck etwas zu verändern. Es sei denn, im Flugzeug liegen zu lassen. Schliesslich überstehen wir auch diese Kontrolle. Es ist bereits 17.35 Uhr. Um 18.05 geht unser Flieger. Dabei wissen wir noch nicht einmal zu welchem Gate wir gehen müssen und wie weit dieses entfernt ist. 

Wir nehmen unsere Habseligkeiten vom Band und ziehen Gürtel und Schuhe wieder an. Anmerkung: in den USA muss man nicht nur Laptop, Jacken und Hosengürtel, sondern auch noch die Schuhe separat aufs Band legen. Halb angezogen eilen wir zu einer Anzeigetafel. AA2217 geht ab Gate D7 und der Flug ist «in Time»; d.h. pünktlich, lesen wir. Wir beeilen uns. Laufschritt reicht nicht mehr. Als wir gut zwanzig Minuten vor Abflug Gate D7 erreichen, sind die meisten Passagiere längst an Bord. Kaum sind wir im Flugzeug wird das Gate auch schon geschlossen und die Maschine hebt ab. Wieder einmal geschafft.

Nach einem ruhigen Flug erreichen wir dann um 21.00 Uhr Lokalzeit Oranjestad. Es bläst uns ein warmer Wind entgegen. Die Luft ist selbst um diese Zeit noch schwülwarm. Ein Taxi bringt uns zum 15 Minuten entfernt gelegenen Hotel Bucuti Tara Beach Resort. Nach einem fast 25stündi-gen Reisetag wollen wir jetzt einfach nur schlafen.