Der heutige Tag zeigt sich nochmals von seiner schönen Seite. Nichts mit Regen oder schlech-tem Wetter. Unsere Tages- und Fotorucksäcke haben die letzten Monate stark gelitten. Also kaufen
wir uns heute zwei neue. Am Nachmit-tag verbringen wir noch etwas Zeit am Strand; schauen Strassenmusikern, Artisten und ande-ren Künstlern zu, bevor wir gegen 18.00 Uhr in unserem Hotel ein letztes Mal ausgiebig zu Abend essen.
Einen Block weiter oder etwa zehn Minuten zu Fuss, fährt um 20.00 Uhr unser Bus der Firma ETM nach Santiago. Die Fahrt dauert ziemlich genau 12 Stunden. Damit sparen wir uns eine Übernach-tung.
Das Busbillet haben wir bereits vor drei Tagen gekauft. Wir konnten wählen zwischen Cama und Semicama. Cama sind Sitze, welche man so weit nach hinten klappen kann, dass sich daraus nahezu flache Betten ergeben. Bei den Semicama lassen sich die Sitze
etwa zu Zweidritteln nach hinten verstellen.
Wir wählen den Bus mit Semicama-Sitzen zum Preis von ca. SFr./Euro 30.00 pro Person. Der Bus mit den anderen Sitzen hätte uns Fr. 50.00
pro Person gekostet. Beim Kauf der Bustickets sagte uns eine der beiden Damen im Bushäuschen es kämen zwei Busse. Der eine Bus sei mit Premium angeschrieben. Das sei derjenige mit den Betten. Wir müssten den anderen Bus nehmen, sagte sie uns mehrmals
und ziemlich eindringlich. Obwohl Marion nur sehr wenig Spanisch versteht, verstand sie diesen Hinweis – so wie ich – klar und deutlich.
Wir sind bereits gegen 19.25 Uhr
mit Sack und Pack am Busbahnhof. Zuerst kommt ein Bus von ETM, der nach Puerto Montt, in Richtung Süden, unterwegs ist. Obwohl der Bus mit Premium an-geschrieben ist, erkundigt sich Marion beim Busfahrer, ob dies unser Bus sei. Der verneint
und sagt, unser Bus käme später. Fünf Minuten vor 8 Uhr kommt wieder ein Bus von ETM mit der Aufschrift Premium - Ziel Santiago. Es steigen wenige Gäste aus und kaum welche ein. Gemäss Anweisungen der Dame im Bushäuschen
vis à vis warten wir auf unseren Bus mit den Semicama-Sitzen. Exakt um 20.00 Uhr fährt der Premium-Bus ab. Wir warten und warten. Etwas Verspätung ist ja möglich, denke ich mir. Doch mittlerweile ist es 20.15 Uhr und unser Bus ist immer
noch nicht da. Langsam aber sicher etwas beunruhigt, begebe ich mich ins Bushäuschen, wo dieselben beiden Damen sitzen, welche uns bereits vor drei Tagen die beiden Tickets ausgestellt hatten. Ähnlich wie vor drei Tagen, sitzen die jungen Damen
mehr als nur gelangweilt hinter ihren ver-glasten Schaltern und schauen auf ihre Handys. Ich zeige ihnen unsere Tickets und frage, wann denn unser Bus käme. Dann schaut eine auf die Uhr und sagt nicht weniger gelangweilt, unser Bus sei vor exakt
15 Minuten abgefahren.
Das könne gar nicht sein, sage ich. Wir seien seit 19.25 Uhr hier und es sei um 20.00 Uhr nur ein Bus mit der Aufschrift Premium gekommen. Was nun kommt, wird
für mich ziemlich schwierig. Denn beide «Langweiler», sprechen nur spanisch und mein Spanisch ist für eine solche Konver-sation einfach viel zu schlecht. Schliesslich bewegt sich die eine - so als ob sie folgende Erklärung
nicht zum ersten Mal geben müsste - im zweistöckigen Premiumbus sei der obere Stock Cama und der untere Semicama.
Das glaube ich nicht! Da wurden wir
vor drei Tagen von diesen beiden Damen falsch informiert. Und ich unterstelle denen einfach mal, dass sie dies mit Absicht taten. Wir waren frühzeitig an der Busstation, haben unserem Bus zugesehen, wie er ankommt und wieder wegfährt. Weder
die eine, noch die andere der beiden Damen – sie mussten uns aus ihrem Bunker schon längst ge-sehen haben, wie wir da draussen stehen - machten nicht die geringsten Anstalten, uns darauf hinzuweisen, dass dies unser Bus sei. Ich
bin mir sicher, die wussten auch noch, dass wir drei Tage zuvor bei ihnen diese Tickets gekauft hatten. Denn soviel Betrieb herrscht bei dieser Haltestelle auch wieder nicht. Auch
das Buspersonal – auf Langstrecken wie dieser sind immer zwei Fahrer und mindestens ein Begleiter (analog Flugpersonal) an Bord – haben uns zwar ganz in ihrer Nähe gesehen, doch gefragt hätte auch keiner, ob wir zusteigen wollten.
Eigentlich hätten sie uns anhand ihrer digitalen und ausgedruckten Listen sogar vermissen müssen.
Mit meinem äusserst dürftigen Spanisch bringe ich in
der kleinen «Bushütte» schliesslich meinen ganzen Unmut zum Ausdruck. Zum einen will ich wissen, wann der nächste Bus nach Santiago fährt. Eine der Damen
schaut von ihrem Handy auf ihren PC-Bildschirm und sagt: um 20.45 Uhr fahre der letzte für heute. Uns verbleiben gerademal noch 20 Minuten. Ich erkundige mich, ob es auf diesem Bus noch freie Plätze gäbe. Eine der
gelangweilten Damen sagt ja, aber nur noch vier der teuren Camaplätze. In diesem Moment ist mir dies so ziemlich egal. Denn wir müssen unbedingt heute nacht noch einen Bus nach Santiago bekommen, geht mir durch den Kopf.
Mit meinem bruchstückhaften Spanisch mache ich der Dame verständlich, dass wir unsere nicht besetzten Plätze vom 8 Uhr Bus in Plätze vom 20.45 Uhr Bus umtauschen
wollen. Das gehe nicht, gibt sie mir kurz und trocken zur Antwort. Die Dame bleibt hart. Ich versuche ihr klar zu machen, dass sie uns falsch informiert habe und wir nur deswegen den 8 Uhr Bus verpasst hätten. Doch das hilft mir nicht weiter. Die Damen
stellen auf stur. Sie versuchen es nicht einmal erst, eine Um-buchung vorzunehmen, uns eine Gutschrift zu geben oder einen Telefonhörer in die Hand zu nehmen. An diesem Punkt wollen sie mich weder verstehen, noch uns helfen. Und das hat dann überhaupt
nichts mehr mit Verständigungsschwierigkeiten zu tun. Mittlerweile bin ich an einem Punkt angelangt, wo ich beiden Damen hätte eigenhändig deren Köpfe umdrehen können. Aber nicht einmal an diese komme ich ran. Trennt
mich doch eine dicke Glasscheibe davor, zu Werke zu schreiten. Diese Bus-Susies wollen Geld sehen und zwar ganze 62'000 Pesos (rund 100.00 SFr.). Oder es gibt nichts. So einfach ist dies. Nach langem Hin und Her und weil wir dringend noch heute nacht nach
Santiago müssen, wollen wir nicht nochmals in Puerto Varas übernachten und morgen einen weit teureren Flug nehmen müssen, sind wir schliesslich bereit, in den sauren Apfel zu beissen und die einhundert Franken zu zahlen.
Doch jetzt beginnen unsere Probleme erst so richtig. Die Bushüttendamen wollen weder Kreditkarten akzeptieren, noch US$ anneh-men. Sie wollen nur harte chilenische Pesos. Unser Problem ist, wir haben nur noch gut 50'000 und nicht mehr 62'000
Pesos. Vor unserem heutigen Abendessen hätte ich noch genügend Pesos gehabt. Doch das Essen haben wir bewusst in Pesos bezahlt, weil wir in zwei Tagen Chile in Richtung Australien verlassen. Und wir es jeweils so einrichten, dass wir
möglichst keine Fremd-währung mehr zurückwechseln müssen. Mittlerweile ist es fast 20.30 Uhr. In 15 Minuten fährt der letzte Bus für heute. Ich kann zwar noch zwei der letzten vier Plätze buchen, aber trotz genü-gender
Liquidität nicht bezahlen. Nicht aus der Ruhe zu bringen und so gelangweilt, wie sie sich die ganze Zeit schon gegeben haben, meint die eine Bus-Susi, in der Stadt gäbe es Banken und Wechselstuben. Doch, die seien vermutlich um diese Zeit schon geschlossen,
fügt sie lapidar hinzu. Also keine Chance?
Als allerletzte Hoffnung bleibt mir nur noch unser Hotel. Ich renne, was ich kann. Berg runter läuft es mit meinem
Übergewicht noch ganz gut. Berg hoch komme ich ziemlich ins Schwitzen. An der Rezeption warten Leute, welche einchecken wollen. Die Zeit wird knapp. Ausser Atem spre-che ich den erstbesten Angestellten an und erkläre ihm meine Notsituation. Wiederum
alles auf spanisch. Denn englisch verstehen sie in diesem 4-Sterne-Hotel auch nur sehr wenig, bis gar nichts. Der Herr, den ich angesprochen habe, erklärt mir, zum Geldwechseln müsse ich auf eine Bank gehen. Er schaut auf die Uhr und sagt. Die Banken
seien um diese Zeit jedoch geschlossen. Das weiss ich ja schon. Hilft mir auch nicht weiter. Ich erkläre ihm, dass mein Bus in 10 Minuten fahre und ich dringendst für 50.00 US$ Pesos benötige. Ich sei bereit, 50 US$ zu einem schlechten Kurs
zu wechseln. Wenn ich nur jemanden fände, der mir diese Dollars wechsle. Gleichzeitig winke ich mit einem 50-Dollar-Schein. Da zeigt eine Angestellte mit mir und ganz besonders mit sich erbarmen und wechselt mir den Schein - ganz privat
- zu einem für mich äusserst schlechten Kurs. Aber dafür habe ich nun Pesos, mit denen ich wieder zu den Susi’s renne. Der einen knalle ich die 62'000 Pesos unter der Glasscheibe auf deren Computertastatur, sodass diese
zum ersten Mal etwas verwirrt dreinschaut und daraufhin ihren Hintern bewegt. Ich warte, bis sie mir die beiden Tickets ausgehändigt hat. Ihre spitze Bemerkung, diese Tickets seien dann für den Bus mit der Aufschrift Premium, schlägt
meinem Fass den Boden vollends raus! Beim Verlassen der Hütte kann ich es nich verkneifen, noch ein paar nette Schimpfwörter loszuwerden. Auf englisch und deutsch – wohlverstanden. In diesen beiden Sprachen verfüge ich über einen - wie
man so schön sagt - erweiterten Wortschatz.
Nun sind wir im Bus auf dem Weg nach Santiago. Meinen Laptop auf den Knien, hacke ich diesen Bericht und meinen Frust in den PC. Danach geht
es mir viel, viel besser und schlafen tue ich in den "Liegebetten" auch gut. Santiago erreichen wir schliesslich am Sonntag kurz vor 09.00 Uhr.