Przewalski Wildpferde im Naturpark Khustain Nuruu
Letzte Nacht regnete es immer wieder. Der heutige Morgen startet ebenfalls stark bewölkt und regnerisch. So richtig passend zu unserer Situation, in der wir stecken. Mit einem kaputten, nicht mehr fahrtüchtigen Auto und ohne Handyempfang sitzen wir in diesem Ger Camp von Explore Mongolia. Battuuls Handy funktioniert in diesem Gebirge nicht. Ihr Netzbetreiber soll in diesem Winkel der Mongolei über kein Netz verfügen, so Battuul. Das Beste an unserer Situation ist - wir haben ein Dach über dem Kopf und dreihundert Meter entfernt lebt ein Nomade, welcher für den Unterhalt und den Betrieb des Camps verantwortlich ist. Unser Camp ist ausgestorben. In dieser Jahreszeit kommen einfach nicht mehr viele Touristen in die Mongolei. Otog, Battuul, Marion und ich sind alleine in diesem, mindestens zwanzig Personen Platz bietenden Ger. Beim heutigen Frühstück erfahren wir von Battuul, der Nomade verfüge mit seinem Handy über ein anderes, sprich funktionierendes Telefonnetz. Wir schöpfen Hoffnung. Nach den Erlebnissen der letzten Tage weigert sich Marion auch nur noch einen Meter mit diesem ramponierten Auto zu fahren. Wir verlangen, Battuul solle ihre Firma anrufen und sowohl einen anderen Fahrer, als auch ein anderes Auto bestellen. Gegen 10.00 Uhr ruft Battuul von der Jurte des Nomaden Explore Mongolia an. Sie meldet uns zurück, diese würden erst gegen Mittag wissen, ob sie auf die Schnelle einen anderen Fahrer bekämen. In der Zwischenzeit macht sich Otog an die Arbeit. Er entfernt das vordere linke Rad und begutachtet den Schaden. Ob er tatsächlich versucht sein Auto wieder hinzukriegen? Seinen Reparaturfähigkeiten vertrauen wir mittlerweile genausowenig, wie seinem Fahrstil. Wir bleiben dabei. Wir wollen einen anderen Fahrer.
Am Mittag dann die gute Nachricht. Explore Mongolia schickt uns ein anderes Auto und einen anderen Fahrer. Dieser soll von Ulanbaatar kommend für die gut 100 Kilometer (80 Kilometer Asphalt- und 20 Kilometer Alpstrasse) zwei Stunden brauchen. Um 15.30 Uhr ist Sandak da. Ein 67jähriger, sympathischer Fahrer mit einem einwandfreien, gut ausgerüsteten und sauber geputzten Toyota Landcruiser. Mit diesem Fahrer habe sie vor sechs Jahren ihre erste Tour durch die Mongolei gemacht und seither Sandak nie mehr gesehen, erklärt uns Battuul. Battuul und Sandak verstehen sich blendend.
Um 16.00 Uhr kommen wir dann doch noch zu unserer Tour durch den Nationalpark Khustain Nuruu. Während Otog weiter an seinem Auto werkelt – Sandak hat ihm offenbar irgendwelche Ersatzteile mitgebracht – machen wir uns mit Sandaks Auto auf die Pirsch. Wir wollen unbedingt diese fast ausgestorbenen und heute immer noch sehr bedrohten Przewalski Wildpferde sehen. Man geht allgemein davon aus, dass die Przewalski Pferde die noch nächsten Verwandten des ausgestorbenen Urpferdes sind. Entdeckt wurde das kleine Wildpferd von einem Russen namens Przewalski im 19. Jahrhundert in der Mongolei. Bereits damals war das Przewalski selten und nur in ganz wenigen Gegenden der Mongolei zu finden. Zoos auf der ganzen Welt ist es zu verdanken, dass dieses Kleinpferd mit einer Schulterhöhe von nur 1,44 Metern nicht völlig ausgestorben ist. Nachdem es in der Mongolei als so gut, wie ausgestorben galt, wurden Mitte des 20. Jahrhunderts mit Hilfe von Zoos und privaten Züchtern grosse Anstrengungen unternommen, Przewalskis an drei verschiedenen Stellen der Mongolei wieder auszuwildern. Eines dieser Auswilderungsprojekte liegt im Gebirge und den Hochtälern des Khustain Nuruu, wo wir uns aktuell befinden. Hier soll es mittlerweile wieder einhundert dieser Pferde geben. Weltweit leben noch etwa 1'500 Przewalskis. Weil alle Nachfahren dieser Przewalskis von nur einem Dutzend überlebender Tiere stammen, sei die Gefahr von Inzucht, Krankheiten und letztlich dem Aussterben weiterhin gross, so Dulgun.
Die Wolken verziehen sich und der Himmel klart auf. Auf der Fahrt dorthin, wo unserer Fahrer auf seiner Hinfahrt bereits Przewalskis gesehen haben soll, entdecken wir viele Murmeltiere. Im Gegensatz zu unseren sind diese hier etwas weniger grau, sondern mehr braun. Dafür ähnlich dick und fett, wie unsere. Der Winter kommt bald und er ist in der Mongolei lang und äusserst streng. Höchste Zeit also, um sich für den Winterschlaf noch ein dickes Fettpolster anzufressen. Ein Murmeltier vor die Kamera zu bekommen ist schwierig. Diese Nager sind flink und entsprechend scheu. Dafür sind deren Löcher so gross, dass ein deutscher Gast, den wir bereits beim Wasserfall im Orkhon-Tal getroffen haben, beim Aussteigen aus dem Auto kniehoch in ein Murmeltierloch fiel, wie er uns heute abend erzählt. Etwa 10 Kilometer von unserem Camp entfernt, Mitten in den Bergen treffen wir sie dann – die Przewalskis. Zuerst zwei Hengste und dann eine Gruppe von sechs bis acht Stuten mit einem Fohlen. Im Gegensatz zu den Murmeltieren sind diese Pferde nicht sehr scheu. Das Licht ist prächtig. Die spätnachmittägliche Sonne verwandelt die Landschaft in ein warmes, goldenes Licht. Die Schatten werden länger und die Przewalskis halten still. So als wären sie beim Fotografen und wüssten – jetzt müssen wir uns von unserer besten Seite zeigen.
Glücklich fahren wir zurück – schöne Aufnahmen im Kasten und mit einem umsichtig fahrenden Sandak. Sandak verkörpert nun genau den Typ Fahrer, den wir bei Otog so sehr vermissten. Sandak hilft uns beim Ein- und Aussteigen aus dem Auto, hält beim Fahren Ausschau nach Tieren; hat ein äusserst gutes Auge; reduziert seine Geschwindigkeit rechtzeitig; d.h. bevor wir mit dem Auto in ein Loch fahren oder uns plötzlich neben der Piste wiederfinden und Sandak assistiert mir sogar beim Fotografieren, indem er mir kurzzeitig Wechselobjektive oder mein Stativ hält. Schön, jetzt haben wir zum Schluss unserer Mongoleireise doch noch ein gutes Beispiel eines Fahrers erleben dürfen. Schade einfach, dass wir diesen Fahrer erst für unsere letzten beiden Tage bekommen haben.