4. Sep, 2016

Kleine Gobi - Sanddünen von Yoliin Am

Der heutige Tag startet wolkenlos. Diese Nacht in der Gobi, auf einer Höhe von 2'200 Metern über Meer, war bitterkalt. Wir in unserem nahezu luftdichten Zelt und unseren warmen Daunenschlafsäcken, welche wir bereits von zu Hause mitbrachten, schliefen zwar auf ziemlich hartem Boden, weil die uns von Explore Mongolia zur Verfügung gestellten, dünnen Matten etwas gar dünn waren. Doch dafür froren wir wenigstens nicht. Dies ganz im Gegensatz zu Battuul und Otog, welche - man kann es wohl kaum anders sagen - einfach zu faul waren ihr eigenes Zelt aufzustellen und ihnen daher nichts anderes übrig blieb, im Auto zu nächtigen. Wie sie uns heute morgen bestätigen, kämpften sie mächtig mit den nächtlichen Temperaturen, welche eher unter, als über dem Gefrierpunkt lagen. Egal, ob hart geschlafen oder ziemlich durchfroren,  sortiert jeder heute morgen zuerst einmal seine Knochen. Nach einem guten, jedoch einfachen Frühstück kommen die Lebensgeister langsam aber sicher in meine müden Knochen zurück. Ich habe noch nie so gerne heissen Tee getrunken, wie diesen Morgen.

Um 09.30 Uhr haben wir dann alles abgebaut und im Toyota verstaut. Wir verlassen unseren einsamen Platz weit ab von jeglicher Zivilisation und dutzende von Kilometern entfernt vom nächsten Camper. An diesem Ort dürften wir am südlichsten und wohl auch höchsten Punkt unserer Mongoleireise gewesen sein. Wir fahren, oder besser noch, wir rasen in Richtung Westen los. Otog packt wieder einmal einen seiner Spezial-Agro-Rallye-Tage aus. Gleichzeitig redet er auf der ganzen Fahrt fast ununterbrochen auf Battuul ein. Selbstverständlich verstehen wir kein Wort. Doch er kichert und lacht und schwatzt, als ob er auf einem etwas speziellen Trip wäre. Am meisten lacht er, wenn die Piste uneben, holprig und voller Schlaglöcher ist. Dann fühlt er sich im Element. Die zwei, drei Autos, denen wir begegnen, überholt er ziemlich zügig. Manchmal frage ich mich – haben wir anstelle einer Mongoleireise eine Gobi-Ralley gebucht? Zum Glück ist unser Toyota sehr gut gefedert und die Sitze weich gepolstert. Meine Bandscheiben machen erstaunlich gut mit. Oder besser gesagt, sie haben sich dem Fahrstil von Otog mittlerweile bestens angepasst. Nach  knapp 100 km tauchen auf der linken Seite die ersten Sanddünen der Kleinen Gobi auf. Eine rund 180 km lange Düne zieht sich zwischen zwei Gebirgszügen von Ost nach West.

Etwa 20 km von den Dünen entfernt, erreichen wir nach 150 km, bzw. um 13.30 Uhr unser nächstes Jurtencamp. Wie jedes der Camps zuvor, ist auch dieses sehr sauber und gepflegt. Und die Bediensteten sind hilfsbereit und bringen das Gepäck zu unseren Jurten. Gegen 16.00 Uhr fahren wir dann noch zur höchsten der Sanddünen. Diese dürfte mindestens 250 bis 300 m hoch sein. Marion und ich erklimmen diese Düne. Eine ziemlich anstrengende Angelegenheit. Der Sand ist tief und die Düne äusserst steil. Bei jedem Schritt vorwärts rutscht man mindestens wieder einen halben zurück. Nach 40 Minuten erreichen wir dann den Kamm. Ein herrlicher Ausblick auf weitere Dünenkämme und die dahinterliegenden kleineren Sanddünen tut sich uns auf. Battuul und Otog schaffen es bis zur Hälfte. Dann bleiben sie im Sand sitzen, bis wir im Eilschritt, ähnlich wie im Tiefschnee, die Dünen hinunterrennen. Auf halbem Weg begegnen wir einer Gruppe Deutscher, welche in der Gobi auf einer dreiwöchigen Wanderreise ist. Ansonsten ist auch hier wenig los. In unserem Jurtencamp sind wir die einzigen Touristen. Ziemlich verlassen und einsam sieht die Anlage aus. Ende September schliessen sie hier die Tore und bauen die Jurten ab.

3. Sep, 2016

In der Geierschlucht!

Die Nacht war sternenklar. Doch beim Aufstehen erwartet uns ein bewölkter Himmel, der dann aber zusehends auch der Sonne etwas Platz macht.

Wie jeden Tag starten wir gegen 9.00 Uhr. Von den Glühenden Felsen von Bayanzag, auf etwa 1280 Metern über Meer, weg in Richtung Südwesten zur Geierschlucht Yoliin Am. Die Gobi ist in diesem Teil der Mongolei recht flach und sehr karg. Die Sandwege sind häufig schnurgerade, flach und doch sehr tückisch. Auch heute bolzt Otog mit seinem Toyota wieder einmal was das Auto hergibt. Mitunter mit 90 Stundenkilometern. Wenn plötzlich ein Loch, eine tiefere Querrinne oder eine Kurve kommt, dann bremst er im letzten Moment scharf ab, sodass sein Landcruiser auf der Sandpiste ins Rutschen und Schlingern kommt und er ihn gerade noch knapp unter Kontrolle halten kann. Und wenn er dies dann, wie so oft, doch nicht schafft, dann kracht es halt oder er lässt das Auto einfach aus der Fahrrinne gleiten. Bei uns würde man sagen, von der Strasse abgekommen. Doch dies stellt hier glücklicherweise selten ein Problem dar. Denn alles ist eben. Und kein Baum oder ein anderes Hindernis steht im Weg. Auch fährt man hier mitunter 100 Kilometer ohne Gegenverkehr. Diesen Fahrstil kennen wir von Otog schon seit dem ersten Tag unserer Reise. Er wird sich wohl nie ändern. Im Provinzhauptort Dalandsadgad, ganz im Süden des Landes, kaufen wir für die nächsten Tage Lebensmittel ein. Dann fahren wir zum Naturpark Gobi Gurwan Saikhn, was auf deutsch soviel heisst, wie «Drei Schöne der Gobi». Auf den nächsten vierzig Kilometern steigt die Gobi unmerklich, aber stetig leicht an. Wir kommen zum Parkeingang. Meine GPS-Laufuhr zeigt bereits eine Höhe von 2'115 Metern an. Im Gobi Gurwan Saikhn befindet sich die Geierschlucht, wo es u.a. Bartgeier geben soll. In einem Naturmuseum am Parkeingang werden dem Besucher Präparate vieler im Park lebender Tiere präsentiert. So u.a. der seltene, vom Aussterben bedrohte Schneeleopard, mehrere Wölfe, einen Steinbock und verschiedene Vögel, wie den Bartgeier. Danach geht es in den Park hinein.

Nach hunderten von Kilometern Einöde tut sich dem Besucher plötzlich eine unglaublich tolle Gebirgslandschaft auf. Eine Landschaft, welche auch in unseren Alpen sein könnte. Hohe Berge, Felsen, tief eingeschnittene Täler und kleine Bachläufe und mehr oder weniger satte, grüne bis herbstlichgelbe Alpwiesen. Nach 10 Kilometern heisst es dann zu Fuss weitergehen oder auf ein anderes Fortbewegungsmittel umsteigen. Das Weideland ist durchsetzt von vielen kleinen Löchern. Bei uns in den Alpen wären dies vermutlich Murmeltierbehausungen. Hier in der Gobi sind es Steppen- und Kaninchen ähnliche Pfeifmäuse oder diese Wüstenmäuse (s. Bild), welche diese Löcher graben. Hoch über uns kreisen ein paar Bartgeier und mit unserem starken Tele können wir zwei junge Bartgeier auf einem Berggipfel ausmachen. Wir wandern insgesamt etwa vier Kilometer. Die etwas bequemeren Touristen – was vor allem Einheimische sein sollen, wie uns Battuul sagt, lassen sich mit Karren und vorgespannten Yaks oder auf dem Rücken von Pferden in die Geierschlucht bringen. Das Wetter hält sich ordentlich gut. Wolken und Sonne wechseln sich ab. Otog, ein richtiger Mongole, wie uns Battuul soeben beschrieben hat, kommt auch heute nicht auf die Wanderung mit. Er bleibt lieber bei seinem Auto und ruht sich aus. Am Abend fahren wir aus dem Park hinaus und schlagen auf einer Höhe von 2'200 m.ü.M. ein in unserem Auto mitgeführtes Zelt auf. Wobei aufstellen tun Marion und ich. Otog und Battuul ziehen es vor im Auto zu schlafen. Zum Abendessen kocht dann Battuul eine Art Mehlsuppe mit Ziegenfleisch. Dazu gibt es Kartoffeln, Karotten und Ziegenrippen zum Abnagen. Bin erstaunt, wie gut Ziegenfleisch schmeckt. Ein kalter Wind zieht auf. Die Temperaturen dürften gegen Nullgrad sinken. Wir ziehen uns ins Zelt zurück und schreiben noch diesen Bericht.

2. Sep, 2016

Wo einst Dinosaurier lebten!

Schliesslich sind wir gestern abend, ohne weitere Zwischenfälle zu haben, so gegen 19.00 Uhr in unserem Luxus Jurtencamp «Secret Ongi» eingetroffen. Hier ist auch wieder etwas mehr Betrieb. Wir fühlen uns nicht mehr so einsam, wie noch gestern. Wir treffen auf Gruppen aus Deutschland, Italien und aus anderen europäischen Ländern, sowie Individualreisende, wie wir. Am gestrigen Abend führten uns ein paar Angestellte des Camps noch Trachten und Bekleidungen aus verschiedenen Epochen der Mongolei vor. Währenddessen baute Otog, mit Hilfe von anderen Fahrern, den Alternator (die Lichtmaschine) und den Kühler seines Toyotas aus. In rund zweistündiger Nachtarbeit reparierte Otog mit speziellem Reparaturkitt den Kühler noch etwas fachmännischer, als gestern bei den Nomaden.  Auf jeden Fall tropft der Kühler auf der heutigen 180 km langen Weiterreise nicht mehr. Wir sind froh und gleichzeitig erleichtert. Auch sollten uns – zumindest heute - weitere Pannen erspart bleiben. Was wir zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht wissen, aus der gebuchten Rundreise durch die Mongolei, sollte es schliesslich ein ziemliches Abenteuer mit ungewissem Ausgang geben - zumindest in Bezug auf unser Weiterkommen und den Zustand unseres Autos.

Die Unterschiede zum bisherigen Steppengras sind merklich sichtbar. Die Vegetation wird immer karger, dünner und artenarmer. Anstelle der Pferde und Kühe treffen wir am Wegrand auf Kamelherden. Der heutige Tag ist nasskalt. Aus der dichten Bewölkung regnet es immer wieder – jedoch meist nur sehr leicht. Am Nachmittag erreichen wir unser Touristencamp von Bayanzag. Hier befinden sich die «Glühenden Felsen». Den Namen erhielten die Glühenden Felsen von einer amerikanisch-mongolischen Expeditionsgruppe, welche unter der Leitung von Roy Chapman im Jahre 1923 an dieser Stelle der Gobi die ersten versteinerten Dinosaurier der Mongolei gefunden hat. Die Expeditionsgruppe gab diesen bizarren Felsen, welche aus rotem Stein und lehmiger Erde bestehen und je nach Sonnenlicht glühendrot leuchten, den Namen «Glühende Felsen» (s. Foto). Einmal mehr haben wir heute Wetterglück. Denn genau, als wir im Camp ankommen, reisst der Himmel auf. Am Nachmittag machen wir dann zusammen mit Battuul eine Wanderung durch diese Felsen. Den Sonnenuntergang wollen wir uns ebenfalls nicht entgehen lassen. Denn dann verwandelt die tiefstehende Sonne dieses Gebirge in ein besonders dunkelrotes Licht. An den Hotspots treffen wir wieder auf andere Touristen. Übrigens, mehrheitlich auf dieselben, denen wir in unserem gestrigen Camp schon begegnet sind und offenbar eine ähnliche Tour gebucht haben, wie wir. Nähe der Felsen treffen wir auch auf ein Grazer Ehepaar, welches sich vorzeitig pensionieren liess (Firma verkauft) und nun mit ihrem kleinen Wohnmobil - einem umgebauten Geländewagen - im Juli in Österreich gestartet, Russland durchquert hat, um für zwei Monate die Mongolei zu bereisen. Übrigens auch zwei begeisterte Fotografen, wie sich zeigt. Die Nacht wird sternenklar. Zum ersten Mal bedaure ich es ausserordentlich über keine astronomischen Kenntnisse zu verfügen. Mein Wissen hört nach der Milchstrasse schon bald einmal auf. Und als Zweites bedaure ich, dass ich auch (noch) kein Nacht- und Sternenfotograf bin.

1. Sep, 2016

Der Kühler unseres Geländewagens verliert Wasser!

Das Wetter ist erneut wunderschön und wolkenlos. Endlich aufstehen! Die Nacht war definitiv kälter und anstrengender, als es meine alten Knochen lieben. Grund: Marion fühlte sich in der Jurte etwas stark eingeengt; konnte nicht schlafen und mich liess sie auch erst schlafen, als ich einwilligte, unsere Jurtentüre fast die ganze Nacht hindurch offenstehen zu lassen. Das wäre ja noch nicht das Schlimmste gewesen.  Weil Marion die Türen offen, aber dennoch nicht frieren wollte, beanspruchte sie von unserer gemeinsamen, eher knapp bemessenen Decke mindestens Zweidrittel. Den Rest könnt Ihr Euch denken. Mit so steifen Knochen kroch ich schon lange nicht mehr aus den Federn.

Nach einem ausgiebigen Frühstück mit Spiegelei, Würstchen, Tomaten, Gurke und Butterbrot und dazu einem heissen Schwarztee, machen wir uns gegen 9 Uhr zu unserer zweiten Etappe auf - immer weiter in Richtung Süden - mit Ziel Gobi. Das Licht ist grandios. Die Gräser der Steppe leuchten hell- bis goldgelb und die, von Wind und Wetter abgewetzten und abgeschliffenen Felsen einer alten Gebirgskette, welche wir um 10.00 Uhr für eineinhalb Stunden durchwandern, werfen lange und magische Schatten. In den Felsen sehen wir mehrere Adlerhorste und hoch über den Felsen kreisen zwei grosse Steinadler. Otog bleibt einmal mehr bei seinem Auto. Weit und breit keine Touristen. Nur Battuul, Marion und ich unterwegs durch magische Felsentäler und auf Anhöhen mit einzigartigem Ausblick. Hier lebten im 16. Jahrhundert budhistische Mönche. Übrig geblieben aus dieser Zeit sind nur noch ein paar Klosterruinien und Höhlen. Dann fahren wir weiter. Wir müssen heute noch über 200 Kilometer zurücklegen. Nach rund 50 Kilometern verfährt sich Otog. Wir befinden uns in einer endlos weiten Steppe. Alles ist mehr oder weniger flach oder leicht hügelig. Keine Bäume und auch sonst keine Orientierungspunkte. Mit GPS ausgerüstet, fuhren Otog und Battuul, wie sich später herausstellen sollte, über viele Kilometer in eine falsche Richtung. Strassenschilder gibt es hier keine. Abzweigungen aber sehr wohl. Ohne GPS ist man hier hoffnungslos aufgeschmissen. Es sei denn, man ist ein Kind dieser Steppe. Otog und Battuul streiten sich kurz und heftig. Otog ist aufgebracht, weil Battuul, für die Navigation per Handy zuständig, ihn offenbar in eine falsche Richtung gelotst hatte. Doch der Sturm ist nur von kurzer Dauer. Kartenmaterial auf dem Handy neu beurteilen und dann kilometerlang querfeldein über die Steppe brettern, bis wir wieder eine "Strasse" finden ubnd dann in die richtige Richtung fahren. Das Fahren und vor allem das Mitfahren auf den hinteren Sitzen ist ermüdend. Wir versuchen ab und zu etwas zu schlafen. Gelingt uns aber nur sehr schlecht. Otog mit seiner rasanten Fahrweise und diese Karrwege, welche nicht nur holprig sind, sondern sich auch noch schlangenlinienartig durch die Steppe winden, lassen uns einfach nicht schlafen. Um 14 Uhr verzehren wir einen Lunch. Auf unserer Rundreise, wo wir jeden Tag Vollpension haben, ist Battuul dafür verantwortlich, dass wir auch unterwegs etwas zu beissen haben.

Rund 60 km vor unserem heutigen Etappenziel, d.h. irgendwo im Nirgendwo, passiert es dann. Der Kühler unseres Toyotas leckt. Innert zehn Minuten verlieren wir sämtliches Kühlwasser. Es sei wohl ein Stein gewesen, meint Battuul. Sie versucht uns zu beruhigen. Dies komme auf solchen Touren häufig vor. Ich wollte von ihr wissen, ob sie auch schon eine solche Panne hätten beheben müssen. Sie meinte nein. Sie sagt, mit dem richtigen Werkzeug, einem Spezialkleber, bzw. einer Klebemasse (eine Art Kitt), könne man diesen Schaden leicht beheben. Ich frage Battuul, ob sie  denn in ihrem Auto solches Reparaturmaterial mitführen würden.  Sie sagte nein. Während Otog den Schaden beäugt, kramt Battuul aus dem Auto eine Rolle Klebeband und einen alten, gebrauchten Kaugummi hervor. Ob man damit wirklich ein Leck in einem Kühler abdichten kann? Natürlich nicht, wie sich schon bald herausstellen sollte. Battuul arbeitet nur in den Sommermonaten für Explore Mongolia. In den übrigen Monaten verkauft sie Kleider, welche sie mit dem Zug in China ein- und in der Mongolei verkauft. Was wir in diesem Moment jedoch bräuchten, wäre einen Mechaniker mit richtigem Werkzeug. Wohl ahnend, dass die Antwort nicht gerade ermutigend ausfallen würde, frage ich Battuul dennoch etwas scheu, was denn Otog ausserhalb der Saison so alles arbeiten würde; bzw. was er früher einmal gearbeitet hat. Battuul sagt, Otog sei Handyverkäufer. Wenn das nur gut kommt?

Irgendwie schafft es dann Otog das Leck im Kühler halbwegs zu Stillstand zu bringen. Zumindest, so lange der Kühler nicht mit Wasser gefüllt war. Und - oh Schreck -  da führt der gute Mann in seinem Auto einen 10 Liter grossen Wasserkanister mit, der einzig dem Zwecke dient, darin Kühlwasser mitzuführen. Doch heute morgen vergass der grosse Junge diesen mit Wasser zu füllen. Mit den paar Tropfen, welche sich noch im Kanister befinden, kann er den Kühler nicht mehr genügend betanken. Trotzdem setzen wir die Fahrt fort. Das geht dann aber nur noch etwa fünf Kilometer gut. Dann leuchtet die Warnlampe im Auto dunkelrot auf. Der Motor droht zu überhitzen. Wir halten und steigen aus. Rund vier Kilometer linkerhand sehen wir eine Jurte. Otog und Battuul wollen mit dem Kanister zur Jurte laufen und Wasser besorgen. Nach einiger Zeit kommt Otog alleine zurück. Er deutet, wir sollen einsteigen. Er fahre uns zur Jurte, dort könne man uns helfen.

Und dann haben wir – unserer Panne sei Dank – das schönste Erlebnis des heutigen Tages. Ein älteres Nomaden-Ehepaar mit von Wind und Wetter dunkel gegerbter Haut, lädt uns zu sich ein. Wir trinken gegorene Stutenmilch – etwas säuerlich und für unsere Gaumen ziemlich gewöhnungsbedürftig, trinken Yoghurtwein und essen sauren, luftgetrockneten Quark, der ebenfalls säuerlich schmeckt, aber sehr viel Kalzium enthalten soll. Während wir uns mit dem Ehemann unterhalten – mit gütiger Unterstützung unserer Übersetzerin Battuul  – stampft die Ehefrau (s. Bild) Stutenmilch. So würden die Nomaden ihre gegorene Stutenmilch machen, erklärt uns Battuul. Zu guter Letzt hat der Nomade, der in dieser Abgeschiedenheit Selbstversorger ist, auch noch einen Zweikomponentenleim und das nötige Frischwasser zum  Auffüllen des Kühlers. Das hält nun bis zum nächsten Dorf, wo Otog das richtige Werkzeug für den Fall eines weiteren solchen Zwischenfalls kauft.

31. Aug, 2016

Battuul und Otog

Pünktlich um 9.00 Uhr werden wir von Battuul (Bild links) und Otog (rechts) mit deren Toyota Landcruiser im Hotel Alpha abgeholt. Battuul und Otog sind ein Paar. Battuul ist 29 und Otog 27 jährig. Explore Mongolia hat uns Battuul als unsere Reiseleiterin und Otog als unseren Fahrer zugeteilt. Während Battuul zwar kein hochstehendes, aber doch ein ansprechendes Deutsch spricht, versteht und spricht Otog gleich viel oder eben gleich wenig deutsch, wie wir mongolisch. Um uns mit Otog zu verständigen, brauchen wir daher entweder Battuul oder wie anderswo üblich, unsere Hände und Füsse. Spannend ist, Battuul und Otog haben sich vor einem Jahr in Linz kennengelernt. Beide haben gleichzeitig Verwandte, bzw. Freunde in Österreich besucht. Ihr Deutsch habe sie aber 2008 in Deutschland erlernt. In der Nähe von Mainz habe sie ein Jahr lang als Au Pair gearbeitet, erklärt uns Battuul. Es sei reiner Zufall gewesen, dass sie im Jahre 2011 beim Tourunternehmen Explore Mongolia vorbeigeschaut habe. Und weil sich das Unternehmen vorwiegend auf deutschsprachige Gäste ausrichtet und noch eine deutschsprachige Reiseleiterin suchte und ihre Deutschkenntnisse als genügend erachtet wurden, habe man sie damals bei Explore Mongolia eingestellt, so Battuul. So sei sie zu ihrem Job gekommen, den sie vorwiegend in den Sommermonaten Juni, Juli, August und teilweise auch noch im September ausübt. Seit diesem Sommer fährt sie zusammen mit Otog. Explore Mongolia und wie wir vermuten, auch alle anderen, hier ansässigen Tourunternehmen, verfügen über keine eigenen Fahrzeuge. Deshalb werden für die Touren stets Fahrer zusammen mit deren Fahrzeugen verpflichtet - ähnlich einem auf eigene Rechnung arbeitenden Taxifahrer.

Ihre ersten Gehversuche als Reiseleiterin machte Battuul noch zusammen mit versierten, älteren Fahrern. Eigens für diese Touren haben sich Battuul und Otog im Sommer 2016 einen etwas älteren Toyota Landcruiser angeschafft. Preis 7'000.00 Euro. Das Geld mussten sie sich von der Bank leihen.

Nachdem wir das Gepäck im Heck des geräumigen Geländewagens verstaut hatten, düsen wir also mit dem Paar los. Zuerst aus der stark frequentierten und verstopften Hauptstadt Ulanbaator wieder in Richtung Flughafen, wo uns vorgestern abend Dulgun, der Juniorchef von Explore Mongolia abgeholt hat;  am Flughafen vorbei und nach rund 30 Kilometern dann ab in die Pampa – genannt Steppe. Ab jetzt sollten wir für die nächsten 17 Tage nur nach ganz sporadisch etwas geteerte Strassen sehen. Und wenn, dann nur für wenige Kilometer im Einzugsbereich von grösseren Städten. A propos grössere Städte: Ausser der Millionenstadt Ulanbaatar gibt es in der ganzen Mongolei keine. In diesem Land, mit einer Fläche von 1,56 Million km2 (entspricht ca. 39x der Schweiz) leben nur gerade 3 Millionen Einwohner. Und allein 1 Million, oder 1/3 der gesamten Bevölkerung lebt in der Hauptstadt. Die restlichen 2 Millionen sind auf ein paar Provinzhauptstädte, kleinere Dörfer und im Land verstreute Nomadensiedlungen verteilt. D.h. wer, wie wir, die Mongolei bereist, der wird in erster Linie auf viel Steppe, Wüste vereinzelt Gebirgszüge und viele Schaf- und Ziegenherden, Pferde, Kühe und in der Wüste Gobi auch grosse Kamelherden treffen. Eintönig ist die Mongolei aber keineswegs. Um aber die Hotspots des Landes zu sehen, bzw. zu erreichen, ist man auf relativ strapaziöse und sehr lange Autofahrten angewiesen. Und das bekommen wir schon am ersten Tag zu spüren. Wenn hinter der Hauptstadt die geteerte Strasse aufhört, dann geht diese Strasse nicht etwa in eine bewirtschaftete Naturstrasse über, wie man sie bei uns in den Bergen oder z.B. vom australischen Outback kennen. Nein, diese – ich nenne sie einfachheitshalber Alpwege – entstanden ganz simpel dadurch, dass irgend jemand mit einem Auto übers Land fuhr und dann später andere seinen Spuren folgten. Und weil dabei vermutlich nicht immer alle besonders nüchtern gewesen sein dürften als sie als erste diese Spur zogen (anders lässt sich dies kaum erklären), ziehen sich viele Fahr- und Karrwege  – wo nota bene – mitunter auf dutzenden, wenn nicht sogar auf hunderten von Kilometern alles topfeben ist, schlangenlinienartig durch Steppe und Wüste.

Und an dieser Stelle kommt nun Otog ins Spiel. Mit Otog haben wir einen Fahrer bekommen, der sein Auto wie ein Spielzeug behandelt und wohl lieber Rallye-, als Touristenfahrer geworden wäre. So schont Otog weder sein Auto, noch seine Gäste auf der Rückbank.  

Wir sind froh, um 13.00 Uhr das Gebirge Zorgol Khairkhan, einen malerischen, aus der flachen Landschaft aufsteigenden Gebirgszug zu erreichen. Hier machen wir unsere erste Mittagspause. Zuvor will Battuul aber noch mit uns diesen Berg besteigen. Wir würden dafür etwa eine Stunde brauchen, meint sie. Bei Battuul dauert im Übrigen fast Alles immer etwa eine Stunde, wie wir auch die nächsten Tage feststellen sollten. Wir meinen, um diesen mindestens 700 m aus der Steppe ragenden Berg (ein Fels von einem Berg) zu erklimmen, bräuchte man bei gut ausgebautem Weg mindestens zwei und nicht nur eine Stunde. Doch wir ziehen brav unsere Wanderschuhe an – Battuul belässt es bei ihren flachen, profillosen Turnschuhen. Ob das gut geht? Dann also los. Dieser Zorgol Khairkhan besteht praktisch nur aus mehr oder weniger steilen Felspartien, welche nach ein paar hundert Metern in senkrechte Felstürme und ins reine Klettern übergehen. Battuul schreitet durch Gestrüpp und Felsen zügig voran. Einen Weg sehen wir keinen. Und offenbar gibt es da auch keinen, wie wir später erfahren. Als wir dann die ersten Felsen förmlich erklettern, frage ich Battuul so beiläufig, ob sie diesen «Weg» auch schon mal gegangen sei. Nein meint sie. Sie sei zum ersten Mal hier. Nun klingeln bei uns bereits das erste Mal die Alarmglocken. Bevor wir uns irgendwo in irgendwelchen Felsen versteigen und weder vor noch zurück können, sagen wir nicht nur zu unserem, sondern auch zum Schutze von Battuul: «Lieben Dank Battuul, wir haben genug gesehen.» Dann klettern wir, noch mühsamer als den Berg hoch, diesen wieder hinunter. Zum Auto, bzw. dorthin, wo Otog, der nicht gerne wandert, seine freie Zeit verbringt.

Nach anstrengenden 250 Kilometern, davon etwa 220 Kilometer auf nicht asphaltierten holprigen, mit Schlaglöchern übersäten Karrwegen, erreichen wir schliesslich unser erstes Etappenziel «Baga Gadsriin Tschuluu» - und das unbeschadet. Zum ersten Mal schlafen wir diese Nacht in einem mongolisch-nomadischen Touristenhotel – genannte Jurtencamp.