29. Aug, 2016

Stadtbesichtigung mit Vollpackung!

Noch bis um 18.30 Uhr wusste ich nicht, ob ich Euch irgend etwas Spannendes oder Interessantes über diesen Tag berichten kann. Denn Dreiviertel des Tages drehten sich lediglich ums Aufräumem und Aufbrechen. Kurz gesagt: zusammenpacken, aus dem Hotel auschecken, zwei Blocks weiter zu Mittagessen, Bücher lesen und die letzten Blogs schreiben. Es war geplant, dass wir heute Abend um 19.30 Uhr von einem Taxi vor unserem Hotel abgeholt und zum Flughafen gebracht werden. Dies war jedenfalls der Plan. Doch Letzteres sollte dann ganz anders kommen.

Zuerst stellen Marion und ich beim Sortieren unserer Dokumente und Tickets fest - etwas, was wir in der Regel nur tun, wenn wir wieder einmal aufbrechen und heute ist gerade so ein Tag - dass unser Flug nach Ulan Bator (Mongolei) nicht wie ursprünglich angegeben um 22.00 Uhr sondern bereits um 21.00 Uhr gehen soll. Und weil wir von unseren Wanderkolleginnen und -kollegen, welche ihren Rückflug nach Europa gestern antraten wussten, dass ein Taxi bei geringem Stadtverkehr aus der Innenstadt von Irkutsk an den Flughafen etwa 15 Minuten braucht, fragten wir uns, ob unsere Abholzeit beim Hotel nicht etwas knapp bemessen ist. Also schreibe ich Tamara noch am Morgen kurz ein Mail und mache sie auf das Vorverlegen unseres Fluges aufmerksam. Nach unserem Mittagessen kehren wir in die Hotel-Lobby zurück, wo wir unser Hauptgepäck kurzfristig einstellen konnten und wo wir über WLAN verfügen. Bei unseren Mail-Eingängen lesen wir die Antwort von Tamara, sie habe das Vorverlegen des Fluges auch eben gesehen und sie würde uns deshalb ein Taxi bereits auf 18 Uhr 30 bestellen. Wir sind beruhigt. Zweieinhalb Stunden sollten problemlos reichen. Ich bestätige Tamara kurz den Erhalt Ihres Mails. Der Nachmittag nimmt seine gewohnten Bahnen. Er plätschert so dahin. Um 18.15 Uhr setzen wir uns auf eine kleine Natursteinmauer vor unserem Hotel und schauen, in Erwartung unseres Taxis, dem Verkehr zu. Es herrscht Berufs- und Stossverkehr. Nichts Aussergewöhnliches. Kennen wir von zu Hause aus. Der Verkehr wird immer dichter. Die Autos in unserer Quartierstrasse kommen kaum noch voran. Unsere Uhr zeigt 18.30 Uhr. Kein Taxi weit und breit. Gut, wir wissen auch nicht, wie unser Taxi aussehen soll. Ist es ein Offizielles, ein Schwarz-Gelbes oder doch eher ein Privatwagen mit einem Angestellten von Tamara oder kommen sogar Tamara oder Dima selber. Um 18.35 kommt dann Galina im Laufschritt um die Ecke gebogen. Ach ja, Ihr wisst ja gar noch nicht, wer Galina ist. Galina wohnt im Stadtzentrum. Sie besitzt etwa drei Häuserblocks von unserem Hotel entfernt in Richtung Angara zwei schön renovierte Eigentumswohnungen in einem von Aussen gesehen äusserst renovationsbedürftigen grauen Stadtgebäude. In diesem Haus waren unsere Wanderkolleginnen und Wanderkollegen die erste und die letzte Nacht unserer Wanderreise untergebracht. Wir haben Galina vorgestern Abend ganz kurz kennengelernt, als wir von Olchon zurückkehrten und zuerst unsere Kollegen bei deren Unterkunft absetzten.

Also kommt da Galina, sie dürfte bestimmt 60 Jahre alt sein (wir möchten sie an dieser Stelle aber auf keinen Fall älter machen, als sie in der Tat ist), auf uns zugeeilt. In sehr gebrochenem Deutsch, aber wenigstens nicht auf Russisch, entschuldigt sie sich bei uns, es gäbe da ein grosses Problem. Die ganze Innenstadt sei mit Autos komplett verstopft. Das bestellte Taxi könne nicht kommen, so Galina. Dann tippt sie die gespeicherte Nummer von Tamara in ihr Handy, welches sie fest in der rechten Hand hält und spricht kurz mit Tamara auf Russisch. Dann streckt sie mir das Handy entgegen und Tamara erklärt mir, was wir jetzt zu tun hätten und wir mit unserem Gepäck Galina aus der Innenstadt folgen sollten, wo der Verkehr normal rollt und wo ein Taxi auf uns warten werde. So weit so gut! Zum Glück haben wir die Abholzeit um eine Stunde vorverlegt, denke ich. Also machen wir uns mit Galina auf den Weg. Einen Block weiter, dann rechts, zwischen den stehenden Autos, welche in beide Fahrtrichtungen stehen, die Leninstrasse kreuzen, dann wieder rechts, gerade aus und weiter rechts. Danach gibt mein Orientierungssinn seinen Geist auf. Wir gelangen in Aussenquartiere von Irkutsk, in denen wir weder die ersten beiden, noch diese letzten beiden Tage jemals waren. Galina ist eine zierliche Dame. Sie trägt einen langen, farbigen Rock und ein weisses, gehäkeltes Oberteil. Sie ist dezent geschminkt. Galina sieht eher aus, als wolle sie in dieser Aufmachung ins Kino oder ins Theater gehen, als mit uns zwei Rucksacktouristen eine Schnitzeljagd durch halb Irkutsk zu machen. Ihr müsst Euch mal das Bild vorstellen. Diese zierliche Frau im Laufschritt voraus und neben und hinter sich zwei ein paar Jahre jüngere typische "Touris", welche am Rücken einen grossen, 18 kg schweren Tramperrucksack und auf der Brust nochmals einen kleineren Rucksack mit etwa 8 kg durch die Stadt schleppen. Aber dies ist noch nicht Alles. Diese sportliche Dame ist eine echte "Multitaskerin". Während sie so voraneilt, telefoniert sie entweder mit Tamara, welche zu Hause, bzw. in ihrem Büro sitzt, auf deren PC den Verkehrsfluss der Stadt beobachtet und Galina lotst, oder dann mit einem Taxifahrer telefoniert und daneben uns alles auch noch bruchstückhaft ins Deutsche übersetzt. Erstaunlich, dass diese Frau in diesem Tempo von mindestens sechs Kilometern pro Stunde auch noch Luft hat zum Reden. Dann zeigt uns Galina in der Ferne, zu diesem Haus bzw. zu dieser Strasse müssten wir. Dort sei der Verkehr gering und dort würde ein Taxi auf uns warten. Die angesteuerte Strasse war dann wirklich fast ohne Verkehr - aber leider auch ohne Taxi. Schliesslich findet Galina ein Taxi. Aber das war das Falsche. Die Worte, welche Galina mit dem Fahrer wechselte, verstanden wir natürlich nicht. Einzig die Gesten. Und diese waren eindeutig! Dann halt weiter im Eiltempo. Nächste Strasse, nächstes Glück! Galina zeigt uns rechts auf ein grösseres Gebäude. Sie sagt, dies wäre das natur- oder kulturhistorische Museum von Irktutsk. Ich weiss nur noch, wie ich ihr ausser Atem antwortete. "Danke Galina, doch mir wäre lieber ein freies Taxi zu finden, als einen Museumsbesuch zu machen." Wir schauen uns an und lachen. Obwohl es uns in diesem Moment nicht im Geringsten ums Lachen steht. Marion hält sich tapfer hinter uns, zeigt aber langsam Ermüdungserscheinungen. Wir hetzen bereits 35 Minuten kreuz und quer durch die Aussenquartiere von Irkutsk. Galina sagt, unser bestelltes Taxi habe die Nummer 495. Ich seh' aber immer noch kein Taxi. Und schon gar nicht mit dieser Aufschrift. Dann endlich! Nach geschlagenen 45 Minuten - es ist mittlerweile 19 Uhr 20 die Erlösung. Ein Taxifahrer mit einem gelben Taxi lädt uns auf. Galina, noch voller Adrenalin, will anhand vom Display Ihres Handys denTaxifahrer aus der Stadt und an den Flughafen lotsen. Doch dieser schaltet einmal im Stehen und in aller Ruhe sein Navigationsgerät ein. Tippt etwas darauf herum und fährt dann zur Verzweiflung von Galina zuerst mehr in die Stadtmitte, von da wir kamen, als in Richtung Flughafen. Dann brach ein ziemlicher Disput zwischen den beiden aus. Worüber sie sprachen war unmissverständlich. Was sie aber genau redeten, entzog sich uns - auf russisch eben.

Doch schliesslich entspannt sich die ganze Sache. Galina sagt uns, dies sei die Flughafenstrasse. Der Verkehr wird zusehends flüssiger. Um 19.35 Uhr erreichen wir dann den Flughafen. Nach einer etwas mühsamen Eingangskontrolle, wo man Marion auch noch einen Haarspray abnehmen will, weil sie irgendwie drei Spraydosen statt nur deren erlaubten zwei mit sich führt, (Anmerkung: wir führen die Sprays wohlverstanden im Hauptgepäck mit, welches wir am Checkin aufgeben wollen), hatten wir es dann geschafft. Ich packe kurzerhand eine Spraydose in meinen grossen Rucksack, was von den Offiziellen akzeptiert wird. Wir bedanken uns bei Galina und verabschieden uns. Doch der Hammer kommt noch. Unser Flug hat Verspätung und zwar um geschlagene zwei Stunden. Hätten wir dies von Anfang an gewusst, wir hätten uns diese Schnitzeljagd durch halb Irkutsk mit dieser fitten Jungseniorin, die verschwitzten Kleider und eine Stadtbesichtigung mit Vollpackung wirklich ersparen können. Doch dann hätte ich Euch diese Geschichte niemals erzählen können.

Unser kleiner Flieger, eine Fokker 50, startet dann um 23.00 Uhr. Mit einer Flugzeit von gut einer Stunde und zwanzig Minuten und einer Zeitverschiebung von einer Stunde, werden wir um 01.45 Uhr vom Juniorchef von Mongolia Explore am Flughafen Chinggis Khan in Ulan Bator in Empfang genommen und in unser Hotel gebracht. Ab heute sind wir mit der Zeitrechnung der mitteleuropäischen Zeit um sieben Stunden voraus.

28. Aug, 2016

Wir sind beeindruckt!

Während wir noch schlafen, treten unsere Wanderkolleginnen und -kollegen in den frühen Morgenstunden deren Rückreise an. Uns erwartet in Irkutsk ein wolkenloser und warmer Tag. In Mitteleuropa würden wir dem Spätsommertag sagen. Hier in der Baikalregion hat der Herbst aber klar Einzug gehalten. So haben sich die noch vor zehn Tagen hellgrün leuchtenden Birkenwälder in ein helles, bis dunkles Gelb verwandelt. Die Nächte werden zusehends kühler. Und in den Parkanlagen von Irkutsk liegt bereits Einiges an Laub am Boden. Ich hätte nie gedacht, dass sich der sibirische Sommer so schnell verabschieden würde.

Es ist Sonntag. Die sonst so stark befahrenen Strassen von Irkutsk sind halb leer. Wir schreiben noch unsere letzten Berichte; lesen Bücher; geniessen die wärmenden Sonnenstrahlen und hängen unseren Gedanken nach. Wir spazieren entlang der Angara (Ausfluss des Baikals), schauen Kindern beim Spielen zu und feuern praktisch als Einzige eine fünfzigköpfige Läuferschaft eines Stadtlaufes (Distanz 7 km und Halbmarathon), dafür umso heftiger an. Träume davon selber wieder zu laufen. Dürfte wohl aber ein Traum bleiben. Schliesslich lassen wir die gewonnenen Eindrücke vom grössten Land dieser Erde und im Speziellen von dieser bezaubernden Baikalregion nochmals durch unsere Köpfe gehen; schliessen langsam aber sicher ab und wenden uns dem nächsten Abenteuer, der Mongolei zu.

27. Aug, 2016

Wir nehmen Abschied!

Der heutige Tag ist - wir bedauern es - leider zu schnell vorbei und ebenso schnell erzählt.

Heute heisst es Abschied nehmen. Und dies gleich in mehrfacher Hinsicht. Zum Einen nehmen wir Abschied von der Insel Olchon; fahren rund 300 km zurück nach Irkutsk, machen noch einen Abstecher zur Sagan-Zaba-Bucht und besteigen noch einen letzten Aussichtsberg von dem wir bei traumhaft schönem Wetter einen Drittel des Baikals sehen. Zum Anderen nehmen wir heute Abschied von unserem ausgezeichneten Wanderführer Dima und von unseren zehn aufgestellten und humorvollen Wanderkolleginnen und Wanderkollgen aus Deutschland und Österreich. Die letzten zwölf Tage hatten wir mächtig viel Spass miteinander. Wir finden, uns Zwölf verband viel mehr als nur die Freude am Wandern. Pilze sammeln, fotografieren, die  Natur, die Pflanzen, die Tierwelt und ein weitgehend nicht Beherrschen der russischen Sprache, gehörten auch zu unseren Gemeinsamkeiten. Zu anderen Gemeinsamkeiten, wie dem Bier- und Wodkatrinken schreibe ich jetzt bewusst nichts. Schliesslich ist es möglich, dass auch Minderjährige oder Arbeitgeber diesen Blog lesen.

26. Aug, 2016

Rundflug mit einer russischen Jak, Baujahr 1959

Heute ist unser Ruhetag - zumindest, was das Wandern anbetrifft. Zwei unserer Wandergruppe und ich nutzen diesen Tag um mit einer museumsreifen, einmotorigen Jak aus dem Jahre 1959 (s. Bild) einen einstündigen Flug über die gesamte Insel Olchon zu machen. Das Wetter ist herrlich. Die wenigen Schönwetterwolken stören nicht. Es herrscht bestes Flugwetter. Unser Pilot, ein Russe, erzählt uns in gutem Englisch, er habe diese Maschine in vier Tagen bzw. 28 Flugstunden von St. Petersburg auf die Insel Olchon geflogen. Es ist 10.15 Uhr. Wir sind seine einzigen Gäste - zumindest vorerst. Nach ein paar Checks, welche Pilot und sein Flugbegleiter durchführen, starten wir auf der einigermassen ebenen, leicht abfallenden Steppenlandschaft. Schon nach wenigen Metern hebt die Maschine ab. An unserem letzten Tag unseres Aufenthalts auf dieser Insel sehen wir nochmals was wir in den letzten beiden Tagen so alles erwandert und von Nahe gesehen haben. Herrliche Felsformationen, riesige Steppenlandschaften und Wälder breiten sich unter uns aus. Und in der Ferne das tiefblaue Wasser des gigantischen Baikalsees. Ein riesiges Erlebnis.

Den Rest des Tages spazieren wir noch etwas durchs Dorf, gehen an den mit etwas Steinen durchsetzten, weissen Badestrand und lassen uns die Spätsommerwärme nochmals auf den Körper wirken. Zum Baden ist es diesmal nicht nur mir, sondern auch der Wasserratte Marion zu kalt. Bei einer Lufttemperatur von etwa 24 Grad, ist 16 grädiges Wasser wohl auch für Marion etwas gar frisch. Den Abend klingen wir dann noch mit  Tamara aus, welche uns zu unserem Abschied noch besucht. Denn zehn von uns fliegen am Sonntag nach Hause und wir beide ziehen am Montag weiter in die Mongolei.

25. Aug, 2016

Fahrt zum Kap Choboj

Heute erkunden wir den nördlichen Teil der Insel Olchon. Olchon ist schmal und lang. Ich würde sagen, an der breitesten Stelle misst Olchon zwischen fünf und zehn und an der längsten rund siebzig Kilometer. Da sich unsere Unterkunft fast auf halber Strecke zwischen dem südlichen und dem nördlichen Ende der Insel befindet, müssen wir heute mit unseren beiden zur Verfügung stehenden Geländewagen (mit unserem bisherigen Bus ist da kein Durchkommen mehr) "nur" noch ungefähr 40 Kilometer hin und 40 Kilometer zurück fahren. Doch diese 80 Kilometer haben es in sich.

Was hier die Einheimischen ans Kap Choboj, was auf burjatisch soviel wie "Eckzahn" heisst, befahren, lässt sich in Worten eigentlich gar nicht beschreiben. Etwas bildlich ausgedrückt, werden auf dieser Strecke die Gäste - ob Chinesen oder Europäer spielt hier keine Rolle - einer Berg- und Talbahn gleich, entweder über Staubpisten gefegt, geschüttelt und im Idealfall tief geflogen, oder dann über lange, steile und tief ausgewaschene Lehmwege geruckelt und geschlagen, dass den Einen deren Mägen fast Purzelbäume schlagen und es den Anderen deren Bandscheiben neu sortiert. Doch meist geniessen Alle Alles etwa gleichermassen. Ein ganz besonderes Erlebnis. Dennoch sind wir froh, nicht jeden Tag in diesen besonderen Genuss zu kommen.

Am Kap Choboj werden wir dann für diese anstrengende Aufofahrt mit einem herrlichen Ausblick auf eindrückliche Felsformationen und einen unendlich grossen Baikalsee entschädigt. Die heutige Wanderung über mehrere Hügel und eine weite und staubtrockene Steppenlandschaft mit einem feinen Mittagessen an einer ruhigen Bucht und einer längeren Strand- und Dünenwanderung zum Schluss machen den Tag sehr abwechlungsreich. Kurz vor dem Mittagessen schaffen es dann zehn Regentropfen, dass wir auf unserer Wanderreise auch noch einmal unsere Regenjacken testen können.

Ein feines Abendessen in unserer Unterkunft und ein oder zwei Bierchen und ein Gläschen Wodka runden den heutigen Abend ab.