21. Okt, 2016

Cabin 440

Sie haben wohlklingende Namen, wie Odysseys Unlimited, Oriental Tours, China Plus oder Overseas Adventure Tours. Es sind dies Gruppen von etwa acht bis zwanzig Personen. Sie speisen an 8er-Tischen; die Herren meist in langen Hosen und Hemden und einzelne sogar Krawatten tragend und jede Gruppe hat ihren eigenen Reiseführer dabei. Nur wir nicht. Auf unserem Schild an unserem 2er-Tisch mit Blick auf den Yangtse steht schlicht und einfach: "Cabin: 440". Etwas sehr bescheiden, wie ich meine. Doch dies passt wenigstens zu unserer Aufmachung. Hemden habe ich keine dabei und Krawatten schon gar nicht. Zum Mittag- und Abendessen gehe ich in 3/4 langen Hosen, welche ich bereits zum x-ten Mal auf unserer Weltreise trage. Und meine Schlupfschuhe werden wohl Ende Oktober auch nicht mehr in die Schweiz reimportiert. Fallen sie doch bald einmal auseinander. Aber einen Namen, wie z.B. "World Travel Tour" oder so ähnlich wäre doch angebrachter, als nur Cabin: 440.

Weil wir keinen eigenen Reiseführer haben und verglichen mit den meisten Gästen beim Schiffspersonal vermutlich einen eher ärmlichen Eindruck hinterlassen, zeigt sich das Schiffspersonal und ganz besonders eine attraktive Hostess, um unser Wohlergehen sehr besorgt. Um 07.15 Uhr, so früh, wie wir während unserer ganzen Chinareise nie und auch in Russland und der Mongolei kaum jemals aufgestanden sind, wird auf unserem Kreuzfahrtschiff zum Frühstück gebeten. Laut Tagesprogramm könnten wir uns zum Frühstücken eigentlich eine ganze Stunde Zeit nehmen. Doch wenn wir nicht Punkt 07.15 Uhr im Speisesaal auf der sechsten Etage sind - unsere Kabinen befinden sich auf der vierten - dann klopft man uns bereits an die Kabinentür. Und beim Frühstück erkundigt sich dann unsere "persönliche" Hostess nach unserem Befinden. Sie habe sich Sorgen gemacht, ob es uns auch gut geht.

Wir gestehen, dies ist unsere erste Kreuzfahrt, die wir machen. Wir müssen uns noch etwas mit den Gepflogenheiten auf einem Kreuzfahrtschiff vertraut machen. Doch wir können nun etwas üben, bevor wir im Dezember in die Antarktis fahren.

19. Okt, 2016

Einschiffen!

Einschiffen ist nicht etwa die vulgäre Form von einnässen. Einschiffen bedeutet das an Bord gehen eines Schiffes. Dies tun wir heute Abend, nachdem wir mit der China Southern Airline von Guilin kommend um 17.30 Uhr in Chongqing gelandet sind. In der Mega-Metropole Chongqing leben auf einer Fläche von 80'000 km2 über 32 Millionen Einwohner. Im Stadtzentrum sind es sogar 6 Millionen Menschen auf nur gerade 2'400 km2. Dies ergibt im Zentrum eine Bevölkerungsdichte von 2'500 Menschen/km2. (Vergleich Schweiz: ca. 200). Kein Wunder, dass wir für die 30 km lange Fahrt mit dem Auto mehr als eine Stunde benötigen. Einmal mehr keine Stadt in der wir leben und - wir sind uns einig - in der wir auch nicht eine einzige Nacht verbringen möchten. Von Smog will ich nicht mehr schreiben. Auch wenn ich mir sicher bin, dass das was wir am Himmel sehen und die Sonne verdeckt, nicht nur einfach zu Wolken erstarrter Wasserdampf ist.

Zum Glück wartet auf uns die Victoria Katarina. Die Victoria Katarina ist eines der grösseren Yangtze-Kreuzfahrtschiffe. Mit diesem "Dampfer" - erinnert etwas an die alten Missisippi-Dampfer, nur ohne Dampf und ohne Schaufelräder - werden wir die nächsten drei Tage die "Drei Schluchten" durchfahren und den "Drei Schluchten Damm", eines der grössten und umstrittensten Dammprojeknte der Geschichte besichtigen. Vor dem Schiff wartet der Kapitän und eine Blaskapelle. Alle Gäste werden mit einem Musikstück begrüsst. Wir hören gerade noch, wie man den Gästen vor uns den Titanic-Ohrwurm von Celine Dion "My heart will go on" spielt. Ich frage mich: Ist dieses Stück wirklich passend? Hoffentlich ist das kein schlechtes Omen. So enden, wie die Titanic oder das 2014 auf dem Yangtze untergegangene Touristenschiff möchten wir eigentlich nicht. Nicht zuletzt, weil der Yangtze ziemlich braun und trüb aussieht.

Da unten würde ich nämlich bestimmt meine Orientierung verlieren!😲 Als ob die Blaskapelle meine Bedenken ob diesem Titanic-Lied gespürt hat, wechselt sie bei uns auf einen ziemlich lauten "Schränzer". Das Musikstück gefällt mir schon besser. Erinnert es mich doch an die Luzerner Fasnacht. 

Unser Führer begleitet uns bis zum Einchecken. Dann sind wir mit 300 bis 400 Gästen "alleine". Zuerst will man uns auf dem Schiff ein "Kabinen-Upgrade" auf eine Suite verkaufen. Doch wir sind mit unserer kleinen, aber netten Kabine mit kleinem Balkon, Bad und Dusche sehr zufrieden. Gegen 22.00 Uhr legen wir dann ab. Hafen, Brücken und Schiffe und alles, was sich sonst noch dazu eignet, sind bunt erleuchtet. Es blinkt, es glitzert und es spiegelt sich im Wasser. So bei Nacht sieht Chongqing nicht einmal so übel aus!

17. Okt, 2016

Wie im Märchenland

Es gibt sie also doch!

Lang, schmal und spitz oder lang, schmal und oben etwas abgerundet. Schon als Kind habe ich sie so gezeichnet. Sie reichten vom unteren, bis fast an den oberen Papierrand - meine ersten Berge. Und hier stehen sie genau so. Zu Hunderten, wie im Märchenland. Als ob es überdimensionierte Schopftintlinge oder Parasolpilze wären, welche ihre Schirme noch nicht geöffnet haben. Ein bizarres und auf der Welt in dieser Art wohl einmaliges Karstgebirge. Wir befinden uns zwischen Guilin und Yangzhou.

Nachdem gestern ein Reisetag mit zwei Flügen - einmal von Shangrila nach Kunming über tiefverschneites Hochgebirge und einmal von Kunming ins Tiefland nach Guilin - auf dem Programm standen, geniessen wir heute eine Fahrt auf dem Li-River. Eine Flussfahrt auf dem Li-River zwischen Guilin und Yangzhou gilt mit Recht als eine der schönsten weltweit. Je nach Wasserstand des Li-Rivers dauert die Fahrt zwischen vier und fünf Stunden. Nach dem vielen Wasser, welches der Yangtse aktuell führt, sind wir über das Niedrigwasser des Li-Rivers erstaunt. 

Das Klima ist feuchtwarm. Die Sonne scheint und es ist nur leicht bewölkt. Als wir kurz vor unserer Abfahrt an Bord gehen, dürften die Temperaturen bereits bei etwa 23 Grad liegen. Um 09.00 Uhr legen dann wie auf Kommando rund zwei Dutzend grosser Touristenboote los. Konvoiartig schippern wir auf dem äusserst gemächlich dahin-fliessenden Li-River von Guilin nach Yangzhou. Obwohl die grossen Touristenboote praktisch keinen Tiefgang haben, scheuert unser Boot mit seinem Rumpf mehrere Male über den steinigen Grund. Vorsichtiges und mitunter langsames Fahren ist angesagt. Dies gibt uns die Gelegenheit, die aussergewöhnliche Fels- und Gebirgslandschaft nicht nur während vier, sondern deren gut fünf Stunden zu geniessen. Hinter Bambuswäldern versteckt, fahren wir an einzelnen wenigen Dörfern vorbei. Im Fluss sehen wir keine Menschen, sondern Wasserbüffel baden. Und Touristen und Ware werden flussauf- und -abwärts mit einfachsten, aus ein paar Kunsstoffrohren zusammengebauten Kleinbooten transportiert.

Und dann diese Felsen und Berge. Wie aus dem Boden geschossen oder einfach in die Landschaft gepflanzt, sehen sie aus. Einzelne fast kahl, die meisten aber bis zum Gipfel bewachsen. Kurz nach dem Mittagessen erreichen wir gegen 14.00 Uhr Yangzhou. Mit einem Taxi lassen wir uns zu unserer nächsten Unterkunft, dem Mountain Retreat Hotel, fahren. Auf unsere Unterkünfte sind wir jedesmal gespannt. In den Städten hatten wir durchwegs grosse Hotelkästen. So auch in Guilin. Für die kommenden zwei Nächte logieren wir nun in einem Hotel, einer kleinen, beschaulichen Ferienanlage gleich. Das Mountain Retreat Hotel liegt unmittelbar am idyllischen Dragon River, umrahmt von Karstfelsen, wie wir sie schon auf der Flussfahrt gesehen haben. Seit heute Mittag wird der blaue Himmel zwar vermehrt von Wolken bedeckt. Doch heute Abend reisst der Himmel nochmals etwas auf und taucht die ganze Landschaft in ein oranges bis dunkelrotes Licht. Abendessen tun wir draussen. Es ist mild und die Landschaft wild und gleichzeitig romantisch.

Wir befinden uns gerademal noch auf 125 Metern über Meer. Morgen haben wir wieder einmal einen "programmfreien" Tag. Mal schauen, wozu wir diesen nutzen wollen.

15. Okt, 2016

Shangrila - Auf dem Dach Yunnan's

Vor drei Tagen hat uns unser Fahrer, der uns seit Dali begleitet und höchstens zehn Wörter englisch pricht, nach Shangrila, dem Dach der Provinz Yunnan gefahren. Unterwegs in der Nähe der Tiger-Sprung-Schlucht, wo der viel Wasser führende Yangtse-Fluss sich durch eine enge, fast 4'000 Meter tiefe Schlucht zwängt, gibt es einen fliegenden Wechsel unserer Reiseführer. So bekommen wir heute auf unserer Chinareise den zehnten privaten Reiseführer zugeteilt. Für einmal ist es wieder eine Frau und zwar eine freischaffende Tibeterin, welche uns die nächsten Tage mit Shangrila vertraut macht. Wir können es kaum glauben. In Shangrila bewegen wir uns erneut auf einer Höhe von 3'300 Metern über Meer. Gut haben wir uns im Tibet bereits an diese Höhe akklimatisiert. 

Für chinesische Verhältnisse ist Shangrila mit seinen 20'000 Einwohnern winzig klein. 40% davon sind Tibeter. Die heute wieder im Aufbau befindliche Altstadt Shangrilas ist im Winter vor drei Jahren einem Grossbrand zum Opfer gefallen. Glücklicherweise seien damals weder Menschen noch Tiere zu Schaden gekommen, erklärt uns unsere Reiseführerin. Die neue Altstadt wird an alter Stelle, ähnlich wie früher, mehrheitlich in Holz erstellt. Zurzeit sieht es hier aber immer noch wie auf einer Grossbaustelle aus.

Wiederum liegt unsere Unterkunft inmitten der Altstadt (s. Foto: unsere Unterkunft). Weil es zu dieser Jahreszeit in Shangrila bereits tagsüber nicht mehr als zehn bis zwölf Grad warm ist und nachts fast frostige Temperaturen herrschen und die Zimmer nicht geheizt sind, verstecken wir uns in unserem Zimmer bereits am Tage unter der warmen Decke. Die Betten verfügen nämlich über eine Matratzenheizung.

Shangrila hat - wie übrigens alle stark tibetisch geprägten Regionen - mehrere buddhistische Klöster. Wir sind froh, besuchen wir am 14. Oktober nur eines davon. Und glücklicherweise verschont uns unsere Reiseleiterin zudem alle grossen und kleinen Buddhas auch noch mit Vor- und Nachnamen vorzustellen 😀!

Nach dem Klosterbesuch sind wir in einer tibetischen Familie zu einem typisch tibetischen Mittagessen eingeladen. Nebst Yakfleisch wird auch Yak-Tee (gesalzener Schwarztee mit Yak-Milch) serviert. Nachdem mein Magen und meine Gedärme seit zwei Tagen etwas rumoren (nicht schlimm), lange ich beim heutigen Essen nicht allzu sehr zu. Von den (zu)vielen Köstlichkeiten probiere ich daher kaum. Kann bestimmt nicht schaden! Vielleicht nehme ich ja auf diese Weise wieder einmal ein paar Kilos ab.

Morgen verabschieden wir uns von den Höhen-(Kur-)Provinzen Tibet und Yunnan. Wir fliegen definitiv hinunter ins Tiefland Chinas. Hier soll es wieder gegen 30 Grad warm werden. D.h. warme Sachen einpacken und die fast verstaubten Shorts und Shirts wieder aus dem Rucksack holen. Flussfahrten auf dem Li-River (Nähe Guilin) und dem Yangtse-River stehen die nächsten Tage auf unserem Programm.

12. Okt, 2016

Lijiang

Mit unserer jungen Reiseleiterin - sie stellte sich uns gestern als Shally vor - besuchen wir heute ein kulturhistorisches Museum über das Leben der Naxi und anschliessend einige Kilometer ausserhalb von Lijiang - auf 2'750 Metern über Meer - ein Bauerndorf der Naxi.

Was uns, bzw. mir besonders auffällt, überall wo uns die Chinesen ein Stück ihrer heimischen Kultur zeigen, wirkt Alles etwas zu sehr herausgeputzt. Gerade so, als ob wir uns in einem Freilichtmuseum, einer Schaukäserei oder in einen "Indianer-Reservat" befänden. Am Eingang einer jeden "Attraktion" und eines jeden uns gezeigten Dorfes befindet sich ein riesiger Parkplatz, auf dem meist viele Touristenbusse und Autos stehen. Die Anlagen und Häuser sind schön hergerichtet und die Türen zu den Innenhöfen stehen offen. Besucher sind willkommen. Und Fotos von den dort lebenden Menschen in ihren Trachten oder Arbeitsanzügen machen, ist in der Regel kein Problem.

Hut ab! Was die Chinesen anpacken - machen sie richtig. Und zwar richtig gut! Das meine ich ehrlich! Was den Chinesen aber häufig fehlt und woran sie noch abeiten müssen, ist die doch sehr gekünstelte "Illusion" auch noch mit wirklichem Leben und Atmosphäre zu füllen. Dann wäre selbst ein Kritiker wie ich es bin geneigt zu sagen, "das ist sie, die echte und reale Welt Chinas". Doch wenn man Berichten glauben schenkt, dann geht das offizielle China mit seinen Minderheiten im Land doch eher anders um, als so, wie man uns dies auf unserer Chinareise immer wieder verkaufen will. Was wir im Tibet zu sehen bekommen haben, passt nämlich schon eher ins Bild der anderen Realität.

Am Abend haben wir dann etwas mehr Glück. Ruhige Guitarrenmusik bei einem Teller Spaghetti Bolonaise (Marion), einem feinen Yack-Steak (Daniel) und einem Dali-Beer. Wir haben ein fast leeres, gemütliches Restaurant Mitten in der Altstadt gefunden (Foto: aus der Altstadt Lijiangs). Wir sitzen im ersten Stock am offenen Fenster und schauen flanierenden Touristen zu. Wir sind erstaunt. Heute bekommen wir gleich viermal sehr gepflegte Samojeden zu sehen. Einem schaue ich lange nach. Hat er doch grosse Ähnlichkeit mit unserer vor gut zwei Jahren verstorbenen Hündin.