6. Okt, 2016

Drei Witze zu den Themen Smog und Mundschutz

 

 

 

 

 

 

 

 

1. Witz

Warum fliegen Flachland-Chinesen besonders gern?

Antwort: Damit sie wieder einmal die Sonne sehen.

 

2. Witz

Wieso tragen Pandas keinen Mundschutz?

Antwort: Weil sie mit Mundschutz nicht fressen können.

 

3. Witz

Wieso sind viele Chinesen schlank?

Antwort: Weil sie den ganzen Tag einen Mundschutz tragen.

 

Anmerkung:

Abnehmen mit Mundschutz funktioniert garantiert besser als jede andere Diät. Vielleicht muss ich es auch mal ausprobieren. Danach schreibe ich dann ein Diätenbuch mit dem Titel "Schnelles Abnehmen mit Mundschutz!"

 

4. Okt, 2016

Ein Bilderbuchtag am Namtso-See!

In der Nacht hat es zweimal äusserst heftig geregnet. Das zweite Mal entlud sich über dem Namtso-See gegen 5.30 Uhr ein starkes Gewitter. Dabei schlug der Blitz gleich mehrfach ganz in der Nähe, vermutlich direkt im See, ein. Es regnete wie aus Kübeln. Solche Sachen registriert man am besten, wenn man ohnehin nicht schlafen kann. Normalerweise habe ich einen gesunden Schlaf. Doch diese Höhe und die dünne Luft lässt manch’ eine Schlafmütze wie mich, wach bleiben.

An die Höhe bestens angepasst, seien die Tibeter. Im Laufe von Generationen hätten die Tibeter ein besonderes Gen entwickelt, welches ihnen ein Leben in grosser Höhe ermöglichen würde, ohne dabei gesundheitliche Probleme zu bekommen, erklärt uns unser Reiseführer. So würden Tibeter noch auf Höhen von gegen 6'000 Metern leben können. Umgekehrt bekämen Tibeter gesundheitliche Probleme, wenn sie ins Tiefland zögen, erklärt er uns. Zwar habe ich schon länger vermutet, dass Bergvölker, wie z.B. die auf knapp 4'000 Metern im peruanischen und bolivianischen Altiplano lebenden Indios eine besondere Anpassungsfähigkeit an die Höhe haben auf der sie leben. Doch, dass dies wie bei den Tibetern, über Generationen sogar zu Gen-Veränderungen führt, war mir neu.  

Längere Zeit auf Höhen von gegen 5'000 Metern zu verbringen, mag zwar zu einer gewissen Akklimatisation führen. Für uns Flachland-Indianer und auch für alle ins tibetische Hochland ziehenden Chinesen führt dies jedoch über kurz oder lang zu Gesundheitsschäden. Wird doch der Körper gezwungen, stets mit einem Sauerstoffdefizit zurechtzukommen. Um einen solchen Zustand erleben zu können, muss man sich nicht einmal in grosse Höhen begeben. Einen ähnlichen Effekt kann man ganz einfach auch im Sport erzeugen. Ausdauersportler unter Euch wissen nur allzugut, wovon ich rede.

Wie viele andere Gäste, wollen auch wir heute morgen auf den Felsen hinter uns steigen und den Sonnenaufgang beobachten. Dieser soll so gegen 07.30 Uhr sein, sagt man uns. Habe den Wecker vorsichtshalber auf 6.00 Uhr gerichtet. Nach dem heftigen Gewitter letzte Nacht rechne ich jedoch nicht ernsthaft damit, dass wir heute auch nur einen einzigen Sonnenstrahl zu Gesicht bekommen. Um 06.15 Uhr ziehe ich mich dennoch kurz an und schaue raus und staune. Es hat geschneit. Jedoch nicht viel. Doch Alles ist in eine weisse Pracht verwandelt. Kann zwar noch nicht viel sehen. Denn es ist immer noch stockdunkel. Und es schneit weiterhin ganz leicht. Sterne oder einen klaren Himmel suche ich vergebens. Also lege ich mich wieder schlafen. Nein, schlafen geht ja immer noch nicht. Und bei Marion genau so wenig, wie sie mir soeben sagt. Vorsichtshalber richte ich den Wecker nochmals. Und diesmal auf 07.00 Uhr. Kurz nach 7.00 Uhr stehe ich wieder auf. Ausser Schneefall und schlechtem Wetter erwarte ich gar Nichts. Doch oh Wunder. Der Himmel ist klar und nahezu wolkenlos. Und den Felsen hoch hat sich bereits eine grosse Schlange von unter Schlafmangel leidenden Schaulustigen, Fotografen und Natur-freunden gebildet.

Ich wecke die bereits wache Marion, nehme meine gestern abend vorsorglich und fein säuberlich gepackte Fotoausrüstung und eile in die Winterlandschaft hinaus.  Früher wäre ich auf einen solchen Felsen locker hochgejoggt. Doch heute, mit einigen Pfunden zuviel auf den Rippen und mit dieser dünnen Luft, bleibt mir die Luft weg, bevor ich überhaupt an Eile denken kann. Den Sonnenaufgang oder das was übrigbleibt, wenn die Sonne ausgerechnet hinter der einzigen, grossen Wolke am Himmel aufgeht, erlebe ich dann zusammen mit einer Schar Frühaufstehern und Marion, welche es auch noch geschafft hat, schliesslich immer noch rechtzeitig. Der Blick über den riesigen Namtso und im Hintergrund der tiefverschneite und teilweise vergletscherte Nyenchen-Tanglha-Gebirgszug mit dem 7'127 Meter hohen Nyenchen Tanglha ist im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend. Nach dem Frühstück machen wir dann nochmals Spaziergänge auf dem nun verschneiten Strand des Namtso. Es bieten sich unheimlich schöne Fotomotive. Weil sich der Namtso heute, im Gegensatz zu noch gestern, von der extrem ruhigen Seite zeigt, spiegeln sich Berge, Wolken aber auch alle spazierenden Touristen wunderbar im Wasser.

Während viele, welche in Gruppen und mit Bussen angereist sind, deren Rückreise bereits angetreten haben, können wir als Individualreisende mit eigenem Fahrer und privatem Reiseführer selber bestimmen, wann wir zurückfahren wollen. Gegen 11.00 Uhr treten auch wir dann unsere Rückreise an. Zurück auf eine «angenehme» Höhe von 3'700 Metern über Meer. Wir geniessen es, nochmals für zwei Nächte im 4-Sterne-Hotel Lhasa-Tsedang einchecken zu können. Morgen haben wir einen «programmfreien» Tag zum Ausschlafen, Ausspannen und Berichte schreiben. Übermorgen heisst es Abschied nehmen von einem in verschiedener Hinsicht beeindruckenden Tibet. Uns zieht es weiter in Richtung Chengdu.

3. Okt, 2016

Atemlos!

Auf die nächsten beiden Tage freuen wir uns ganz besonders. Denn das sind wieder einmal Tage für Naturliebhaber und Fotografen. Mit unserem privaten Reiseführer und einem Fahrer machen wir uns heute morgen auf die fünfstündige Fahrt zum Namtso-See. Der See liegt auf einer Höhe von 4'718 Metern über Meer. Mit einer Fläche von 1'920 Quadratkilometern – einer Länge von etwa 70 Kilometern und einer Breite von 30 Kilometern – macht der Namtso fast 5% der Fläche der Schweiz aus. Laut unserem Reiseführer soll der Namtso der höchstgelegene See der Welt und der zweitgrösste Salzsee Chinas sein.

Von Lhasa aus fahren wir zuerst 163 Kilometer in Richtung Damzhung, parallel zur Qinghai-Tibet-Bahn, mit der wir am 28./29. September von Xining her angereist sind. Auf halbem Weg kommt uns ein Konvoi von ungefähr 100 grossen Militärlastwagen, sowie mehreren Panzerfahrzeugen entgegen, welcher sich in Richtung Lhasa bewegt. Bis zum Ort Damzhung befinden wir uns auf einer Hochebene, welche auf einer mittleren Höhe von etwa 4'400 Metern liegt.

Nachdem wir uns die letzten Tage in Lhasa recht gut akklimatisieren konnten, stellt für uns diese Höhe kein Problem dar. Abgesehen davon, müssen wir uns vorerst ja auch nicht bewegen. Bei Damzhung verlassen wir schliesslich das Haupttal und die Qinghai-Tibet-Strecke und zweigen ab in Richtung Norden. Kurz nach Damzhung erreichen wir einen Polizei-Checkpoint, sowie einen Ticketschalter, wo unser Führer den Eintritt zum Namtso löst und unsere sämtlichen Papiere vorweisen muss. Dann steigt die Strasse kontinuierlich an. Links und rechts der Strasse weiden Yaks auf den kargen und in dieser Jahreszeit bereits schon fast kahlen Hängen.

Wir haben wieder einmal einen Fahrer, der ziemlich Gas gibt; d.h. schnell, aber nicht besonders gut fährt; meist erst in den Kurven bremst, wenn er merkt, dass er zu schnell unterwegs ist und dafür bereits in den Kurven seinen Geländewagen wieder beschleunigt, um so fast alle Fahrzeuge überholen zu können, die es zu «fressen» gibt. Kommt uns aus der Mongolei irgendwie bereits bekannt vor. Doch dieser Fahrstil beeindruckt uns nicht mehr besonders. Schliesslich fahren die meisten Chinesen und im Besonderen auch die Tibeter - etwas nett ausgedrückt – sehr speziell. So wird slalomartig links und rechts überholt; mehrspurig nebeneinander gefahren, wo eigentlich nur eine Fahrspur wäre; gehupt und Gas gegeben, was das Zeug hält und Fussgängern, selbst wenn diese auf Fussgängerstreifen gehen und deren Ampel auf Grün zeigt, deren Vortritt genommen, weil rechts abbiegen in China bei jeder Signalisation immer erlaubt ist. Wer in China überleben will, beherzigt am besten: die Masse ist Alles – das Individuum Nichts und der Stärkere hat immer Vortritt. So wird man als Fussgänger auf Chinas Strassen regelrecht zum Treibwild. Ein kluger Fussgänger, der nicht überfahren werden will, tut also gut daran, bei verkehrsreichen Strassen trotz Grünphase und offiziellem Vortritt, entweder minutenlang auf ein sich abzeichnendes Loch im Verkehrsfluss zu warten oder dann mit Gott – oder hier besser mit Buddha - vor Augen über die Strasse zu rennen. Doch Beides ist hier definitiv lebensgefährlich.  

Also fahren, bzw. fliegen wir mit unserem Fahrer in Richtung Namtso-See. Gegen Mittag erreichen wir den 5'150 Meter hohen Pass Lhachen La. Dort machen wir einen kurzen Fotostopp. Marion und ich steigen noch 100 Meter höher. Auf 5'250 Metern ist dann aber Schluss. Schwindel, Kopfschmerzen, schneller Puls und Kurzatmigkeit sagen uns, das ist definitiv nicht mehr unsere Welt. Also steigen wir hinunter und lassen uns die letzten Kilometer hinunter zum Dorf Tashidor am Namtso fahren. Die Strecke Damzhung – Tashidor beträgt ca. 74 Kilometer. Bisher hatten wir im Tibet sehr viel Wetterglück mit angenehmen Temperaturen. Tagsüber etwa 15 bis 18 und in Lhasa nachts etwa 5 Grad. Für die beiden Tage am Namtso ist (wäre) grundsätzlich auch recht gutes und trockenes Wetter angesagt. Nur leider verschlechtert sich der Himmel zusehends. Als wir in unserem äusserst einfachen Gästehaus, direkt am Namtso ankommen, verdunkelt sich der Himmel. Gewitterregen ist angesagt. Wir essen noch kurz zu Mittag und machen uns dann auf den Weg an den Strand. Auch ohne viel Sonne, ist die Licht- und Wolkenstimmung – besonders für Fotografen und Liebhaber von Gewittern – einzigartig (s. Foto). Auf dieser Höhe von knapp 4'800 Metern fühle ich mich, bzw. fühlen wir uns nicht mehr besonders wohl. Dieser einfache, etwa einstündige Strandspaziergang kostet uns sehr viel Kraft. Ich habe das Gefühl, ich bewege mich im Zeitlupentempo. Leichte Kopfschmerzen und etwas Appetitlosigkeit stellen sich ein. Beim Abendessen sehen wir bereits die ersten «Flachlandchinesen», welche über diese Feiertage vom Tiefland in den Tibet reisen und den Namtso-See besuchen, an Sauerstoffgeräten hangen. Denke mir, die sind wohl etwas zu schnell in die Höhe gestiegen.

Übrigens: China feiert jeweils am 1. Oktober seinen Unabhängigkeitstag. Und dies tun die Chinesen, welche das Jahr hindurch in der Regel sehr wenig Ferien und Freitage haben, in der ersten Oktoberwoche gleich eine ganze Woche lang. Als Tourist sollte man diese Oktoberwoche meiden und keine Reise durch oder Ferien in China planen. Denn in dieser ersten Oktoberwoche ist halb China auf den Beinen. Bei 1,3 Milliarden Menschen ist dies doch ziemlich viel. Wir sind froh, dass wir diese Zeit mehrheitlich im Tibet verbringen. Dort ist der Andrang chinesischer Touristen, wie man uns im Vorfeld schon sagte, weit weniger gross, als in anderen Regionen Chinas.

 Doch viel essen wir heute abend nicht. Nicht nur spazieren, sondern auch essen, kann ganz schön anstrengend sein. Und erst schlafen! Meine Pumpe arbeitet auf Hochtouren. Der Kopf schmerzt und der Ruhepuls hat mit Ruhe nicht mehr viel gemein.

 

 

 

2. Okt, 2016

Buddhismus - mehr als nur eine Weltreligion?!

Nach drei Tagen Lhasa, mit dem Besuch von zwei Palästen und vier Klöstern, ist unser Bedarf an buddhistischer und tibetischer Kultur reichlich gedeckt. Wir wissen nun, dass der jetzige, in Indien im Exil lebende Dalai Lama der 14. ist. Auch wissen wir, wie seine 13 Vor-gänger lebten und wo und wie sie bestattet wurden. Gleichzeitig haben wir erfahren, dass es ähnlich dem Christen-tum, sowie anderen Weltreligionen, es nicht nur eine buddhistische Lehre, sondern ganz verschiedene buddhistische Ausrichtungen gibt. So kennt der Buddhismus u.a. die Rotmützen, die Schwarzmützen und die im Tibet und besonders auch in den grossen Klöstern Lhasas stark verbreiteten und eher konservativ ausgerichteten Gelbmützen. Einfach zusammengefasst, glauben die Buddhisten an die Reinkarnataion, sprich Wiedergeburt. Und zwar nicht nur an eine, sondern gleich an tausend Wiedergeburten. So bedeutet den Buddhisten ihr jetziges Erdendasein nichts weiter als eine Stufe auf einer Treppe himmel- oder auch höllwärts. Wer in seinem Leben viel Gutes tut, viel betet und Pilgerreisen zu den heiligen Stätten macht, der erarbeitet sich im nächsten Leben eine höhere Stufe. 

Übrigens: die buddhistische Lehre stammt ursprünglich aus Indien. Im 7. Jahrhundert nach Chr. sei der Buddhismus über Nepal in den Tibet gekommen, sagt uns unser Reiseführer.

Ganz spannend finde ich, welche Form der Bestattung der Buddhismus kennt. So werden die höchsten Lamas - die Dalai Lamas - mumifiziert und in äusserst prunkvolle, goldene und mit Edelsteinen verzierte Sarkophage gelegt. Die etwas tiefer gestellten Lamas, z.B. Gelehrte und Oberhäupter von Klöstern, werden kremiert und die Urne in einer reich verzierten Stupa beigesetzt. Stupas sehen aus, wie der Spitz eines Kirchen-Zwibel-Turms (s. Fotoarchiv). Nachdem ein Lama in einer Stupa beigesetzt wurde, nennt man diese Stupa nicht mehr Stupa, sondern einfach Grab, erklärt uns unser Reiseführer.

Und wie wird das einfache Fussvolk bestattet?

Die Buddhisten, zumindest die im Tibet lebenden Buddhisten, kennen drei Formen der Bestattung. Die Luftbestattung, die Wasserbestattung und die Erdbestattung. Bei der Luft- und Wasserbestattung werden die Leichname zerkleinert und an ganz bestimmten Stellen den Adlern (bei der Luft-) und den Fischen (bei der Wasserbestattung) zum Fressen gereicht. Die Buddhisten glauben, diese Tiere würden ihnen auf dem Weg der Reinkarnation helfen höhere Stufen zu erklimmen. Die Form der Erdbestattung werde nur bei schlechten und kriminellen Menschen angewendet, sagt man uns. Die Buddhisten glauben nämlich, bei erdbestatteten Menschen würde die Reinkarnation gestoppt. D.h. diese Menschen sind dann gewissermassen für immer verloren. Schöne Aussichten! Wenn Letzteres wirklich so ist, dann würden auf der Erde irgendeinmal nur noch gute und friedliebende Menschen leben.

Und noch etwas hat mich stark beeindruckt. Der Buddhismus in seiner ganzen Ausrichtung dürfte wohl die friedlichste Religion sein, welche unsere Welt kennt. So ist der Buddhismus nicht bloss eine Weltreligion, sondern vielmehr eine Lebensphilosophie. Sie zeigt dem Menschen auf, wie er mit Gutem tun im Leben Glück, Zufriedenheit und Gesundheit erlangen kann und was er tun muss, um im nächsten Leben eine höhere Stufe zu erreichen. Meine Vermutung ist, ein Volk wie die Tibeter, welches den Buddhismus religiös, als auch politisch stark verankert hat und lebt, immer sehr gefährdet ist, von einem anderen Staat eingenommen zu werden.

Ich meine, der Buddhismus als Religion und Lebensphilosophie ist faszinierend. Und zwar durchaus auch für Andersgläubige! Dennoch würde es reichen, wenn man innert drei Tagen ein paar und nicht gleich mehrere Tausend Buddhastatuen und Gelehrten-(Lama-)figuren zu besichtigen hat. Denn Fakt ist, jeder Palast und jedes grössere Kloster in Lhasa verfügt über Hunderte, wenn nicht sogar über Tausende solcher figürlicher Darstellungen. Und dies in allen Grössen und Formen; häufig aus Gold oder zumindest vergoldet.

1. Okt, 2016

Spuren der Kulturrevolution

Es hat sie schwer getroffen - die Tibeter. Zuerst die Besetzung ihres Landes durch die Chinesen im Jahre 1950 und danach die Kulturrevolution bei der die Kommunisten Chinas von 1960 bis 1970 ihre wertvollsten Kulturgüter - wie Klöster und Tempelanlagen - dem Erdboden gleichmachten. Ein ähnliches Schicksal ereilte die Mongolei bereits in den 30er Jahren, als die Kommunisten Russlands in der Mongolei eine Schneise der Zerstörung hinterliessen. Während in der Mongolei noch heute sehr Vieles zerstört ist, bzw. Mangels Geld nicht mehr aufgebaut wird, muss man den Chinesen zu Gute halten, dass sie in der heutigen "autonomen" Provinz Tibet - insbesondere in Lhasa und Umgebung - ab den 90er Jahren alle grossen und wichtigen Tempelanlagen und Klöster wieder originalgetreu aufgebaut haben. Die äusseren Spuren der Kulturrevolution wurden dadurch beseitigt. Geheilt war damit aber noch lange nichts.

Seit fünf Tagen bereisen wir nun den Tibet mit Schwergewicht Lhasa, dem einstigen religiösen, wirtschaftlichen und politischen Zentrum Tibets. Wir haben das Glück mit einem ausgezeichneten Reiseführer, einem Tibeter, unterwegs zu sein. Über Gegenwartspolitik sprechen wir nicht. Angesichts der politischen Situation ist dies wohl auch klug so - und zwar für beide Seiten. Und trotzdem, das was wir zu sehen und zu hören bekommen, stimmt uns nachdenklich. So fragen wir uns: Wieso wird die Provinz Tibet von den Chinesen als autonome Provinz bezeichnet? Kommt man doch in den Tibet nur mit einer Sondergenehmigung und zwar ausgestellt vom offiziellen China. Hat man die Hürde und die Einreise in den Tibet einmal geschafft, wird man - Einheimische und Ausländer gleichermassen - regelmässig auf den Strassen durch Polizei und Militär kontrolliert. Als Ausländer ist man angehalten, Ausweise, wie Pass, Visa und Sondergenehmigung immer auf sich zu tragen. Auffallend ist, im sogenannt autonomen Tibet wird die Polizeigewalt nicht etwa durch Tibeter, sondern ausschliesslich durch Chinesen ausgeübt. Woran erkennt man das? Im Gegensatz zu den Tibetern haben Chinesen eine helle, fast weisse Haut. Auch ist bei den Tibetern in der Regel die Kopfform etwas länglicher und schmaler, als bei den Han-Chinesen. Wenn man also Polizisten begegnet, welche weisshäutig sind, dann darf man getrost davon ausgehen, dass es sich dabei um Chinesen und nicht um Tibeter handelt.

1990 lebten in Lhasa noch rund 20'000 Einwohner. Und zwar mehrheitlich Tibeter. Touristen, welche in den 90er Jahren Lhasa bereist haben, würden diese Stadt kaum noch erkennen. Denn heute, 26 Jahre später, leben bereits 540'000 Menschen in Lhasa. Tendenz klar steigend. Dabei stellen heute die Han-Chinesen mit Abstand die Mehrheit der Bevölkerung Lhasas. Das Stadtzentrum sei praktisch ausschliesslich den Chinesen vorbehalten, bestätigt uns unser Reiseführer. Die Tibeter würden am Stadtrand und in den umliegenden Dörfern wohnen. Bis in den 80er Jahren habe er mit seinen Eltern am Fusse des Potalapalastes gelebt, sagt uns unser Reiseführer. Weil dies der chinesischen Regierung nicht mehr passte, bzw. dort Museen geplant waren, mussten die Tibeter (viele Familien) ihren Platz räumen. Sie wurden - wie man auf chinesisch sagen würde - umgesiedelt. Auffallend ist auch welche Berufe hier die Chinesen und welche die Tibeter ausüben. Die schönen und teuren Geschäfte in der Stadt werden von Chinesen geführt. Die einfachen Strassenverkäufer hingegen sind Tibeter. Die Strassen, die Eisenbahnstrecken und die vielen, riesigen Wohnsiedlungen werden von reichen und gebildeten Chinesen geplant und finanziert. Die Schwerarbeit jedoch wird von den Tibetern verrichtet, bestätigt uns unser Reiseführer. (Wir nennen hier seinen Namen ganz bewusst nicht). Von Löhnen und Lohngleichheit müssen wir gar nicht erst reden. Wenn wir all' das betrachten und zusammenzählen, dann erscheinen uns Tibeter in ihrem eigenen Land als Gastarbeiter zweiter Klasse.

Gleichzeitig erwecken die Tibeter aber den Eindruck, sich irgendwie mit ihrem Schicksal abgefunden oder zumindest damit arrangiert zu haben. Sei es, weil sie nach der blutigen Niederschlagung ihres Aufstandes in Lhasa 2008 erkannt haben, dass sie mit Gewalt und Auflehnung gegen die Besatzungsmacht China nie eine Chance haben werden und sie auch keine echte Hilfe von Drittstaaten erwarten dürfen oder sei es, weil sie sich heute in Geduld üben und ihre Chance in einem inneren Umbruch Chinas und dem Abdanken der Roten Partei sehen.